Goethe | Der Podcast

Marcus Anhäuser, Thomas Schmuck

Feuer oder Wasser: Wie entstand der feste Boden unter unseren Füßen?

Der Streit zwischen Plutonisten und Neptunisten.

24.04.2024 50 min

Zusammenfassung & Show Notes

In der siebten Folge unseres einzigartigen Goethe-Podcasts dreht sich alles um die größte Debatte in der Geologie (die in Goethes Zeiten noch Geognosie hieß) um das Jahr 1800 herum, die sich um die Frage drehte: Wie entstand die "feste Erde" unter unseren Füßen? Die zwei großen Lager waren die Neptunisten und die Plutonisten bzw. Vulkanisten. Thomas erzählt uns, woher die Namen stammen und welche Gruppe, welche These vertrat. Wir erfahren, wem Goethe zuneigte und wer die Protagonisten waren, darunter solche Berühmtheiten wie Abraham Gottlob Werner, Johann Carl Wilhelm Voigt oder Friedrich Wilhelm von Trebra.

Mit Musik von Joe Marson, Clejan, Adam Turley, Bryce Green, Mum Child, Outland, Matthew L. Fisher, Old Wave, Sean McVerry, Kyle Church (via Audiio)

Wir haben aufgenommen 2024.

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Transkript

Ich versuche gerade raus zu bekommen, ob man den im Hintergrund hört. Hörst du irgendwas von meiner Baustelle? Nö, ne? Hört der was? Hörst du was von meiner Baustelle? Warte, jetzt bin ich mal kurz weg. So, jetzt bin ich ganz dran. Okay, das klappt alles. Jetzt dann doch mal. Schön. Hallo und willkommen zur siebten Folge dieses weltweit einzigartigen Goethe-Podcasts "Natur und Geist". Wir sind die einzigen im Podcast-Universum, die sich exklusiv um die Naturwissenschaft Goethes kümmern und die Tiefen seiner wenig bekannten Forschung ergründen. Wir, das sind Thomas Schmuck, Österreicher und Wissenschaftshistoriker am Goethe-Haus in Weimar. Thomas ist der hohe Priester der naturwissenschaftlichen Sammlung Goethes. Und ich bin Markus Anheuser, Wissenschaftsjournalist seit Menschengedenken, lebe in Dresden und komme aus dem Rheinland. Heute hört ihr was über einen der wichtigsten Streits in den gerade erst entstehenden Geowissenschaften um das Jahr 1800 herum und ihr erfahrt, auf wessen Seite Goethe dabei stand. Schön, dass ihr dabei seid. Jetzt geht's los. Okay, da sind wir wieder. Wir widmen uns diesmal wieder einem Thema, was immer schon so ein bisschen in den Folgen teilweise mitgeschwungen ist, mitschwang, nämlich die Frage der Entstehung der Welt, der Gesteine. Keine kleinere Frage sozusagen. Der Gebirge, also dem festen Boden unter unseren Füßen. Und wenn ich das alles richtig in Erinnerung habe, da war Goethe genau in der Zeit, Zeitzeuge und auch vielleicht irgendwie ein wenig involviert, als diese Frage sehr hoch gekocht ist. Die zwei Begriffe, die ich mir gemerkt habe, oder drei Begriffe, die wir bisher so hatten, waren die Plutonisten und die Neptunisten und die, wie hießen die anderen, Vulkanisten? Ja, also Plutonisten und Vulkanisten sind enge Verwandte, die gemeinsam schlagen, vielleicht auch getrennt marschieren, aber die eben dem Feuer den wesentlichen Anteil an der Entstehung der Erde geben und der Gesteine. Was war so die zentrale Frage? Woran hat die sich entzündet oder was war da so der? Na, die Grundfrage war die, wie entstehen Gesteine, wie entstehen Gebirge und die Erde letztlich als Ganzes? Wie kann man das wissen? Wie kann man an den Gesteinen erkennen, wie alt sie sind? Wie sie entstanden sind? Was sind die maßgebenden Faktoren dafür? Man kann ja beim Meer oder bei Süßwasserverhältnissen erkennen, dass Gesteine gebildet werden können als Sedimente durch Wasser eben. Man kann aber natürlich auch bei vulkanischen Phänomenen sehen, dass Gesteine vulkanischen Ursprungs sind, Lava, die erstarrt, Magma, die aus dem Innern hervorbrechen. Da gibt es dann eben, nachdem man ja meistens nicht dabei war, wenn man die Gesteine jetzt im Gebirge untersucht, viele Möglichkeiten, das zu erklären. Und das sind eben die beiden Hauptmöglichkeiten. Und was waren die Neptunisten? Was haben die gesagt? Naja, benannt sind sie alle nach römischen Göttern, Neptun, Poseidon, Gottesmeeres. Man sagt es ja schon, die Neptunisten waren überzeugt davon, dass die meisten Gesteine, vielleicht sogar alle, aber die meisten waren keine radikalen Neptunisten, die meisten Gesteine aus dem Meer, aus dem Wasser entstanden sind. Es gab auch Ultraneptunisten, wenn man so will, die der Meinung waren, dass die ganze Erde mal eine Wasserkugel war, eine rotierende, riesige Wasserkugel, in der das Material der künftigen Gesteine und der Erde selbst gelöst war und das sich eben dann ansammelt, zuerst in einem Kern im Inneren und dann immer mehr ausgefällt wird oder sich absetzt, da hatte man ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, und dass eben dann aus einer flüssigen, rotierenden Wasserkugel dann eine feste Erde entsteht, in der das Wasser eben noch in Form von Meeren oder Flüssen oder Seen vorkommt und auch im Inneren der Erde eben Reichevorkommen gibt noch von Wasser. Ein großes Problem nicht, aber letztlich muss man sich auch als Neptunist mit der Frage beschäftigen, wenn die Gesteine aus dem Wasser entstehen und es ein Urmeer gibt, ein Ur-Ozean, und dieser Ozean zurückweicht, wohin verschwindet denn dann das Wasser? Während die Plutonisten gesagt haben, nein, es ist genau andersrum, die Erde war glühender, rotierender, Feuerball sozusagen, ähnlich der Sonne, der dann langsam abkühlt und dann bildet sich eine harte Kruste im Zuge dieses Abkühlungsprozesses und diese Abkühlung schreitet immer weiter vorwärts und das ist der maßgebende Bestandteil, der maßgebende Wirkfaktor der Erdgeschichte. Das waren eben die Vulkanisten oder Plutonisten, Pluto oder Gott, der Unterwelt und des Reichtums, auch der Metalle und Vulkan natürlich, Hephaistus, der Schmied. Und wenn es heißt, in der Zeit so um 1790 bis 1820, 1830 oder so, war so die Hauptphase, was da passiert? Gab es da irgendwelche... Ja, eigentlich war es schon früher, also das 17. Jahrhundert kennt ihr sozusagen mit Vorläufen, gibt es immer den Beginn geologischer, großer Systeme und da gibt es schon die Vorstellung von Bernhard und anderen englischen, britischen Geologen, aber auch Steno in Italien oder Dänemark und Leibniz, die da Vorstellungen einer Globalgeschichte entwickelt haben und wo sich das schon andeutet, welchen der beiden Faktoren man eine größere Bedeutung gibt und im 18. Jahrhundert, das ja fast ein geowissenschaftliches Jahrhundert ist, in dem es ja kein Jahr gibt, in dem nicht irgendein, meistens mehrere Bücher erscheinen über die Erdinterieurentstehung, da differenziert sich das richtig aus und man lernt die Gesteinsschichten unterscheiden, gerade in Mitteldeutschland, wo das Füchsel macht, in Rudolstadt oder Lehmann im brandenburgischen sozusagen, die machen geologische Aufnahmen, indem sie Gesteine, wie das Steno als erster gemacht hat, nach dem Alter ordnen, also die Ältesten nach unten und die werden dann immer jünger sozusagen und die Frage ist, wie entstehen diese Gesteinsschichten und Füchsel hat das klar gesagt, das ist eine Folge von Sintfluten, der hat das in Thüringen gemacht, eine Folge von Fluten, die letzte ist die Sintflut, ja, und wir können aber andere noch rekonstruieren, die eben älter sind, die Bibel, ist ein historisches Dokument, wie man das eigentlich heute auch noch sieht, ein historisches Dokument ihrer Zeit, was man damals aber nicht gesehen hat und das ist, glaube ich, einer der wichtigen Punkte, die man verstehen muss. Es gibt keinen Unterschied zwischen Menschheits- und Erdgeschichte, keinen zeitlichen, man war sich nicht klar darüber, dass das zwei verschiedene getrennte Dinge sind, dass die Erdgeschichte um vieles länger ist als die Menschheitsgeschichte. Das heißt, die eine Variante geht davon aus, die Menschheit gibt es so lange, wie es die Erde gibt? Genau. Und die, tatsächlich ist ja so, die meiste Zeit gab es keine Menschen. Genau, aber das ist ein Wissen, das wir jetzt haben und das ist ja ein Wissen, das man auch sozusagen beweisen muss. Also es genügt uns ja nicht, das zu glauben, wir müssen das ja auch irgendwie plausibel machen mit Argumenten, es gibt ja ganz viele Argumente dafür, aber das mal zu verstehen, dass die ersten Menschen nicht Zeugen sind der gerade entstandenen Erde, sondern dass es da noch einen ewig langen Prozess braucht, dass es eine Urzeit, eine Frühzeit, eine Urgeschichte gegeben hat, dass auch der Mensch sogar eine Urgeschichte hat, das ist eine Erkenntnis erst des späten 18. Jahrhunderts, setzt sich erst wirklich im 19. Jahrhundert durch. Diese zeitlichen Dimensionen zu fassen ist ganz schwierig. Es gibt keine Methode zum Beispiel das absurde Alter von Gesteinen zu bestimmen. Wie sollte man da drauf kommen, das geht erst Ende des 19. Jahrhunderts, ist das möglich mit Isotopen und Radiozerfallmethoden, wo man dann auf große Zeiten kommt. Man kommt auch früher natürlich auf große Zeiten, aber die sind Spekulationen, die sind nicht beweisbar und was Spekulationen ist, naja, das ist schön und nett, aber es ist eben nur der Anfang der Naturwissenschaft, aber es fehlt viel, da beweisen wir mich. [Musik] Das heißt, in der Zeit gab es die ersten, ich nehme an, die Erdaufbrüche, wo man die Schichtung des Bodens sah, die gab es ja schon immer, sag ich mal. Nur in der Zeit gab es die ersten, die sich darüber Gedanken gemacht haben, was bedeutet das eigentlich was und was bedeutet das und könnte das was mit der Entstehung zu tun haben, oder? Naja, also nachdem man das ja, wie du es richtig sagst, immer sieht, hat man sich eigentlich auch immer schon Gedanken gemacht, wo das denn herkommt. Ein ganz wichtiger Punkt ist der Bergbau. Je entwickelter die Gesellschaft ist, desto wichtiger und notwendiger ist der Bergbau. Und ich brauche, um die moderne europäische Zivilisation aufzubauen, brauche ich ganz viele Metalle. Ich muss also immer besser, immer tiefer, immer besser ausbeuten, graben, hinunterkommen, verstehen, wo sich Ärzte sammeln. Und aus diesem Interesse der Gewinnung von Metallen, von Ärzten für die Gesellschaft, versuche ich Gesetzmäßigkeiten zu finden. Der Herr Trebra, das war ein ganz wichtiger Geologe, mit Goethe sehr eng bekannt, der hat zum Beispiel bei sich in seinen Bergbaurevieren die Wünschelrute abgeschafft und hat versucht, ein System aufzustellen, wonach, wie man Ärzte wirklich finden kann, nach wissenschaftlichen, systematischen Gesichtspunkten. Das heißt, vorher hat man mit Wünschelrute gesucht und mit ähnlichen, nicht reproduzierbaren, experimentell geprüften, evidenzbasierten, würde man heute sagen, Methoden. Das war zu seiner Zeit, also wir sind dann noch 1780 oder 1770, noch ganz weit verbreitet und ist auf die Dauer nicht effizient. Herr Trebra hat im Harz und im Erzgebirge und so weiter, war Berghauptmann und in verantwortlicher Stellung, der war sozusagen verpflichtet, auch was zu liefern. Das Ziel ist eben dann ein wissenschaftlich adäquates Verständnis des Schichtenbaus. Und dann frage ich mich, was sind älteste Schichten, wo kommen die her, was ist darunter und so weiter. Also es gab eine ganz praktische Notwendigkeit, zu verstehen, wie die Erde, also wie die Erdschichten oder wie der Boden aufgebaut ist, weil ich daraus Rückschlüsse darauf schließen kann, wo ich Erz finde. Okay, das heißt, man war gezwungen, sich Gedanken darüber zu machen. Genau. Und derjenige, der die beste Erkenntnis, die beste Wissenschaft hatte, die beste Methode, konnte natürlich mehr finden oder hat nichts Sinnlos gehabt, sondern nicht abgetäuft und dann nach dem Ende war nichts da, sondern der hat eben was gefunden. Und damit gab es einen Berggeschrei, wie das so schön heißt. Also es wurden dann Anteile vergeben oder der Staat hat es gefördert, was ja meistens der Fall war. Und da war Deutschland führend oder eine der führenden Nationen, wahrscheinlich die führende Nation, mit seinen Bergwerken im Erzgebirge, im Harz und so weiter, auch in Westdeutschland und so weiter, auch in den Alpen. Du hast eben einen Namen genannt, der mir jetzt wieder entfallen ist. Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra. Und der war einer der... Einer der wissenschaftlichen Simulantien, sozusagen, dieser Entwicklung. Okay. Und was hat der so rausgefunden? Also der hat die Schichten und hat gesagt, jede Schicht entsteht durch eine Sintflut. Naja, man muss vielleicht ein bisschen weiter ausholen. Bitte gerne. Im Prinzip haben sich die beiden Parteien, wenn man so will, es gab auch viele Übergänge und viele, die dazwischen, die gewechselt haben, wenn wir noch alles noch hören, ein bisschen haben sich diese beiden Parteien die Köpfe eingeschlagen. [Musik] Also einerseits geht es um Ressourcennutzung, andererseits hängen aber auch Weltbilder dran. Ob ich jetzt auf vulkanischen oder auf neptunistisch entstandenen Gesteinen stehe, arbeite, mich ernähre, ob die Pflanzen jetzt von Graniten oder von Basalten ihre Nahrung über den Erdboden beziehen, das macht auch einen Unterschied aus. Der Mensch isst, was er isst, geht bis in den Charakter, bis in die seelischen und intellektuellen Fähigkeiten. Es gab die weitverbreitenden Ansichten, dass ich, wenn ich auf vulkanischem Boden, dass ich dann feuriger bin oder dass die anderen, also in den Gedanken, dass ich dann sozusagen lebendiger, geistig lebendiger bin. Und umgekehrt gab es ganz verschiedene Ansichten, wurde auch mit Protestantismus und Katholizismus verknüpft, dass die Katholiken dann vielleicht weniger geistig rege sind, weil sie auf dem falschen Böden sitzen. Und es gab sozusagen zwischen den Konfessionen, zwischen den Strömungen, zwischen den Lagern unendlich viele persönliche Invektiven. Es gab die Feueranbeter, also richtige Beschimpfungen. Die Feueranbeter wurden beschimpft, die Wassersüchtigen wurden beschimpft, also Richtung Krankheit oder Richtung Religion wurde das getrieben. Persönliche Feindschaften sind da entstanden. Das war ein richtiger, sehr emotional, für die Wissenschaft sehr emotional geführter Kampf, muss man ganz klar sagen. Wo wurde der ausgetragen? Haben die sich bei öffentlichen Vorträgen getroffen und jemand hat seine Theorie vorgestellt und im Publikum saßen die anderen? Oder gab es so etwas, wie es ja heute gibt, das wird dann über Fachartikel ausgetragen, eine Wissenschaftler stellt seine These auf, veröffentlicht den Fachartikel, in demselben Magazin erscheinen wenige Monate später eine Replik oder so. Wie muss man sich das vorstellen? Die meisten haben sich natürlich persönlich gekannt. Das eine, geologische Tagungen gab es auch schon in Chemnitz, im heutigen, das Slovakia war meines Wissens die erste, aber hauptsächlich war das in Zeitschriften oder in Fachartikeln oder in Reihen von Akademien herausgegeben, die dann die Frage gestellt haben, ist der Basalt des vorherigen oder westlichen Ursprungs. Dann schreiben verschiedene Leute dazu, unterschiedliche Meinungen, das wird dann zum Teil publiziert und wenn dann der eine schreibt eine Berichtigung des anderen, dann lehnt sich der andere gegen das Wort Berichtigung auf und schreibt eine Widerlegung und so geht es dann immer hin und her, vor allem wenn die Lehrer und Schüler waren die sonst wegen Abhängigkeitsverhältnissen gestanden sind. Ich muss gerade einfach nachfragen, weil du eben Chemnitz sagtest und dann sagtest in Tschechien, das hat aber nichts mit dem Chemnitz hier in Sachsen zu tun. Nein, das ist Banska Stervnica, das ist in der Mittelslowakei, das ist ähnlich wie Freiberg in Sachsen eine der ältesten Bergakademien, in dem Fall die des Habsburger Reichs, wo man das natürlich auch gemacht hat, die aber nicht nur eine Akademie war, sondern auch ein bedeutendes Erzzentrum, nur falls da auf höherer Seite irgendwie Verwirrungen aufkommen sollten. [Musik] Okay, also die haben sich über Artikel gefetzt und Vorträge und so, es gibt keinen berühmten Termin. Ausgelöst ist es durch einen Streit über die Basalte. Der Basaltstreit, in dem Abraham Gottlob Werner, einer der berühmtesten Geologen und bedeutendsten Geologen aller Zeiten, jedenfalls des späten 18., frühen 19. Jahrhunderts, behauptet hat, dass das auch der Basalt wässrigen Ursprungs ist. Bisher hat man das eben größtenteils anders gesehen. Er hatte seine Gründe dafür, wir wissen heute, dass das nicht so ist, aber in diesem Streit haben sich dann alle oder sehr viele beteiligt und hat dann jeder seine Meinung dazu abgegeben. Kannst du erklären, was er für Gründe hatte zu glauben, dass Basalt… Naja, er hat das am Scheibenberg in Sachsen ausgeführt, da hat er Basalt gefunden über Sand und Schotter und anderen Schichten. Das Problem beim Basalt ist sozusagen, wenn ich jetzt erkläre, dass Basalt immer und überall vulkanischen Ursprungs ist, dann haben wir der Meinung, wenn das so ist, dann müsste ich eigentlich auch Schlote finden. Irgendwo müsste dann ein Krater sein und so weiter. Humboldt hatte auch sein erstes Buch über die Basalte des Rheins, da macht er sich darüber lustig, dass jedes kleine Loch, Scheißloch, glaube ich, sagt er, oder schreibt er irgendwo, jedes kleine Loch wird irgendwie als Schlot verkauft. Das ist eine der, aus heutiger Sicht, nicht mehr zwingenden, aber aus damaliger Sicht hat man das verlangt, wenn es vulkanisch ist, dann muss es ja irgendwie von unten raufkommen. Da waren weit und breit oft nichts zu sehen von Schloten, von Kratern, von sonst was. Ja, ein wichtiges Argument gegen die vulkanische Natur des Basalts, wobei bei anderen kann man ja quasi zusehen fast. Aber man ist immer wieder erstaunt, wenn man die Originalschriften liest, dass man auch diskutiert, ob Bimstein oder irgendwelche Tuffe, ob die vulkanischen oder doch andere Ursprungs sind, das gibt es auch noch bei Humboldt, dass Bimstein oder Obsidian, dass das gar nicht so klar ist, dass die wirklich vulkanischen Ursprungs sind immer. Das ist ganz erstaunlich. Und wir haben es ja schon angedeutet, Humboldt war da eben Gegner des Vulkanismus, hat aber dann aus verschiedenen Gründen das Lage gewechselt, sehr zum Vertruss Goethes. Das heißt ja, Goethe tendierte eher zum Neptunisten-Lager. [Musik] Ja, nicht nur tendiert, sondern der war eigentlich sein ganzes Leben lang Neptunist, hat ein bisschen geschwankt, aus Gründen, die man vielleicht auch noch erklären müsste. Aber im Grunde war er immer Neptunist bis zum Schluss seines Lebens, hat nicht alles geglaubt, was Werner gesagt hat. Werner hat sozusagen das neptunistische System zu seinem Höhepunkt und Abschluss gebracht und seiner Vollkommenheit und hat dann über viele Jahre, Jahrzehnte kann man fast sagen, die Geologie dadurch mitbestimmt, nicht nur in Deutschland, wie das oft behauptet wird, sondern auch in England, da gab es eine Vennarian Society und so weiter, die es in Schottland, also im Kernland, hatten und dem Vulkanismus oder Plutonismus. Werner hat eine weltweite, muss man wirklich sagen, wirkung entfaltet. Hat er so gut argumentiert oder war er einfach als Typ vielleicht besonders überzeugend? Erstens und zweitens, beides kann man nur sagen. Erstens muss er eine faszinierende Figur gewesen sein. Er war der Lehrer von sehr vielen, von Novalis, von Humboldt, von Theodor Körner, von unglaublich vielen Bergleuten und Geologen. Wenn Humboldt nach Peru, nach Mexiko gekommen ist und in die Peruanischen Gruben hinabgestiegen ist, da konnten die Leute mit ihm Deutsch sprechen, weil sie alle bei Werner in Freiberg in Sachsen studiert haben und nachher nach Peru oder nach Mexiko gegangen sind. Spanier, Spanisch Sprechende, Mexikaner, das war ja noch vor der Unabhängigkeit. Das ist eine faszinierende Person, der hat übrigens nicht nur viel Geologie und Mineralogie gemacht, schon als Student ein mineralogisches System aufgestellt von den äußerlichen Kennzeichen der Fossilien, das so gut und überzeugend war, dass es ihm eine Professur eingebracht hat. Es gibt einen richtigen Werner-Kult, muss man fast sagen, in der Zeit. Was novel ist, porträtiert ihn im Heinrich von Ofterdingen als Weisen, als alten Weisen von Berge, als Mann nach dem Herzen Gottes aus der alten Zeit. Wie auch immer, er muss eine faszinierende Person gewesen sein, der sich auch für Geschichte, für alte Geschichte, für Sprachen, Sprachgeschichte interessiert hat, weil er auch auf dieser Ebene gehofft hat, vielleicht Hinweise auf die frühen Zustände der Erd- und Menschheitsgeschichte zu finden. [Musik] Du sagst, er war in Freiberg an der Bergakademie Professor. Das heißt, Goethe war auch an Freiberg tätig? Nein, nein, nein. Goethe hat ja keine Bergausbildung gehabt. Goethe hatte ein Problem, als er nach Weimar eingeladen wurde, nach Weimar gekommen ist, er musste dann sehr schnell sehr viel übernehmen, ministerielle, administrative Tätigkeiten, das ihn nicht überfordert, aber sehr gefordert hat. Und da war auch das Bergwerkswesen dabei. Damit das da weitergeht, das war abgesoffen in den 1730er Jahren, der Bergbau im Herzogdom Sachsen-Weimar, war eine wichtige Einnahmequelle, Verarmung hat gedroht. Das wollte man unbedingt wieder hinkriegen. Da hat sich Goethe darum gekümmert, hat versucht, das Bergwerk in Ilmenau wieder in Gang zu bringen. Und man hat auch Studenten nach Freiberg geschickt. Der Trebra, den ich bereits erwähnt habe, das war angeblich der erste Student überhaupt in der neu gegründeten Bergakademie Freiberg, der ist aber nicht vom Herzogdom hingeschickt worden, sondern da hat man einen jüngeren Bruder, eines Ministers hingeschickt, den Herrn Vogt, Johann Karl Wilhelm Vogt, der hat bei Werner studiert und der kam dann zurück und war dann einer der Lehrmeister, obwohl er jünger war, nicht viel, aber doch jünger als Goethe, einer der Mentoren Goethes immunologischen Dingen. Der hatte eben nur das Problem, dass er irgendwann abgefallen ist vom Neptunismus, obwohl er ein Werner-Schüler war und dann einer der vehementesten Vertreter des Vulkanismus oder Plutonismus geworden ist, Herrn Vogt. Da hat es dann viel Streitigkeiten zwischen dem Lehrer Werner und dem Schüler, also ehemaligen Schüler Vogt gegeben. Im Auftrag des Herzogdoms hat Vogt eine der ersten geologischen Landesaufnahmen einer deutschen Landschaft sozusagen gemacht, nämlich Thüringens. Der hat systematisch die Steine Thüringens gesammelt, zumindest das Bestandteil des Herzogdoms, und die hat sich Goethe dann, obwohl sie im staatlichen Auftrag gemacht wurden, gleich geschnappt. Die stehen bis heute im Arbeitsvorzimmer des Goethe-Hauses, die thüringischen Suiten von Herrn Vogt. Und Goethe hat sich dann fast 50 Jahre damit beschäftigt, mit diesen Dingen. [Musik] Das heißt, um zu sehen, wie die Erdschichten, also einfach die oberen Meter, die haben dann überall Löcher gegraben und haben geguckt, was findet sich hier? Naja, nicht Löcher gegraben, sondern die sind ja unterschiedlich abgetragen. Wenn du einen Bergstock hast, der aus der Dreherszeit ist, und die Schichten da vorne und danach sind, älter sind das in Perm, aber der Bergstock, mit der Ettersberge im Gefeld, ist eben härter, dann brauchst du ja nur da entlang wandern und wanderst du automatisch durch die Abfolgen dadurch. Wenn du dich dem Thüringer Wald näherst, geht das gleich noch viel anders, und so hast du gleich noch, so kriegst du noch viel mehr Schichten. Und wenn du nach Ostthüringen gehst, wo ja Füchsel war, oder was Füchsel, der geologische Rudderstadt, den wir schon erwähnt haben, mit den neuen Fluten, die er da letztlich postuliert hat, der hat dasselbe gemacht, nur in einem bisschen anderen Bereich, du stößt, je gebirgiger die Landschaft ist, umso mehr auf solche Schichten abfolgen. Also die mussten gar nichts graben, sondern die haben einfach eine Linie gezogen, 100 Kilometer, also das ist jetzt rein theoretisch, und da schaust du daneben, was da alle 10 Kilometer gibt, welche Gesteine. Goethe und Werner, die haben sich dann getroffen, die haben sich ausgetauscht, wie war der Kontakt dann? Na ja, Werner kam zu Goethe, ich glaube 1790 war das, da hat Goethe sich schon über 10 Jahre mit Geologie beschäftigt gehabt, er hat begonnen auf der zweiten Schweizer Reise, 1779, da stammt auch der Beginn der Sammlung her, denn die Alpen sind natürlich noch einmal, also geologisch gesehen, was ganz was Aufregendes, was passiert denn hier, wie entstehen denn solche Gebirge? Man kann ganz unterschiedliche Schichtenfolgen sehen, man hatte schon Vorstellungen vom Bau der Alpen, der aber sehr kompliziert ist, aber dass es ein zentrales granitenes Rückgrat da geben muss, und dann andere Schichten, die nördlich und südlich symmetrisch abgelagert sind, das hat Goethe erkannt, ganz unglaublich eigentlich bei der Reise von Norden nach Süden, nach Italien. Also die Italienreise war nicht nur eine Reise für die Kunst, Literatur, Beschäftigung mit der Antike, sondern es war auch eine naturwissenschaftlich ergiebige und interessante, für Goethe interessierende Reise, andere Pflanzenwelt des Mittelmeers, anderes Licht, Farbenlehre und auch die Geologie. Vulkanismus lernt er dort ja auch kennen, am Vesuv, den er dreimal bestiegen hat, aber auch eben den Bau der Alpen, das fasziniert ihn. Man sieht den Unterschied sehr schön, in der ersten Schweizer Reise ist für ihn die Schweiz nur ein Ort des Schwärmens, wo man sozusagen das freie, idyllische Berg- und Hirtenvolk da zusehen kann, wie es da noch unverfälscht vor sich hin lebt. Und bei der zweiten Schweizer Reise, 1779, beschäftigen ihn schon die naturwissenschaftlichen Dinge, nämlich die Geologie und er fragt sich dann, wie entstehen diese Gesteinsformen, diese beerntrugenden Gebirgsformen. Ein paar Jahre später fährt er eben dann durch Tirol nach Italien und dann ist es noch intensiver. [Musik] Was hat man denn für Thesen, für Theorien gehabt, wie so ein Gebirge entsteht, wie die Alpen? Man kannte ja noch keine Plattentektronik, es gab es ja erst 150 Jahre später, 120 Jahre. Ja, ja, also das ist wirklich hochinteressant, da könnte man sehr viel dazu sagen. Also Gebirgsentstehung im 18. Jahrhundert, da gab es, du wirst es nicht glauben, unendlich viele Theorien und man hat sich sehr darum gestritten, wie denn das jetzt alles passiert ist. Da gab es ja absurden Sachen, die aus heutiger Sicht, also ich frage mich, wie konnte man ernsthaft das glauben, dass Gebirge durch Meteoritenfall entstanden sind, die dann irgendwie angehäuft wurden. Es gab auch die Idee, dass die Erde schrumpft, dass sie ursprünglich Hohlräume hatte, die dann zusammenbrechen, das Wasser in diese Hohlräume eindringt, deswegen das Meer abnimmt. Durch dieses Zusammenbrechen der Hohlräume dann Unregelmäßigkeit an der Oberfläche entstehen. Casanova hat einen berühmten, bekannten Roman geschrieben, der unter der Erde spielt, also die Vorstellung, dass die Erde hohl ist da drin, das ist ganz selbstverständlich. Ludwig Holberg, ein dänischer Autor aus 1800, beschreibt auch die Welt da im Innern der Erde, die ganz fremdartig und absurd ist, da gibt es sprechende Bäume da unten, die rational denken und Höhepunkt der Absurdität sind emanzipierte Frauen, die auch im Innern der Erde leben, mit ihren Männern gemeinsam, die das akzeptieren. Also da gibt es ganz schöne Vorstellungen und auch in der Geologie finden sich solche Vorstellungen wieder. Andere sagen wieder, es ist ein Schrumpfungs- und Abkühlungsprozess, so wie wenn eine Orange oder ein Apfel schrumpft, weil er Wasser verliert, wird auch runzelig und diese Runzel nennen wir halt Gebirge im großen Maßstab. Natürlich haben Fluten eine wichtige Rolle gespielt, vielleicht haben Fluten ganze Kontinente und Gebirge geformt. Humboldt, der junge, frühe Humboldt ist noch auf seiner Amerika-Reise davon überzeugt, kann man seinen Tagebüchern nachlesen, dass da ganz der ganze Golf von Mexiko inklusive Karibik so entstanden ist. Musik Musik Wenn man so Leuten begegnet wäre, würden die das mit dem Brustrund der Überzeugung berichten, dass die Gebirge so oder so entstehen oder war das immer tatsächlich auch so ein, wie es sich für Wissenschaftler gehört, Wissenschaftlerinnen, irgendwie so ein vorsichtiges, skeptisches, ja, es könnte so sein oder haben die gesagt, ja, war so? Naja, auch da gibt es beides, aber es war allen klar, dass es Spekulation ist im Grunde und deswegen hat man Unterschieden zwischen Geologie, das ist die Spekulation, das Großräumige, das, was ich nicht weiß, weil ich nicht dabei war. Herr Werner hat es abgelehnt, er hat niemals geschrieben, wie alt die Erde denn überhaupt ist, er hatte ja seine Meinung dazu, aber die hat er nur privat geäußert sozusagen. Und dann, im Gegensatz zur Geologie, war dann die wirkliche Wissenschaft, das war die Geognosie, das, was ich wirklich sehen und erkennen kann, die Gesteine und so weiter, die ich beschreiben kann, wo ich ein System aufstellen kann, die ich in Bestandteile zerlegen kann, wo ich Gesetzmäßigkeiten, das ist das, was eben wirklich erzählt, das wirkliche Wissenschaft ist und die Geologie, Goethe hat den Begriff auch nicht geschätzt und hat ihn im Grunde abgelehnt, hat ihn auch nicht verwendet oder kaum verwendet, Geologie, das ist eben das Spekulieren über das Ganze. Das heißt, Goethe hat Geognosie betrieben, keine Geologie. Genauso wie Werner, Werner verwendet auch den Ausdruck Geognosie, kennen wir heute nicht mehr, hat sich auch durch den Einfluss des englischen "Geology Principles of Geology" mit Charles Lyell dann sein berühmtes Werk ab 1830, glaube ich, 31 genannt hat, hat sich dann durchgesetzt. Ja, aber da wird sehr genau unterschieden und die Wissenschaftler, die was auf sich halten, die haben auch wenig oder nichts spekuliert oder zumindest veröffentlicht dazu. Wie ist der Kampf ausgegangen, der Streit? Wer hat gewonnen, wenn man das sagen kann? Na ja, da kann man auch unterschiedlicher Ansicht sein. Die Mehrzahl ist der Meinung, dass der Neptunismus dann zwar durch Werner unterstützt oder gestützt und lange geherrscht hat, aber dann unterlegen ist und dass sich dann der Plutonismus oder Vulkanismus durchgesetzt hat. Es stimmt natürlich, dass der Vulkanismus da zurückgedrängt wurde, dass Goethe selbst sich in einer Außenseiterposition im Laufe seines Lebens immer mehr empfunden hat, dass er der letzte Neptunist ist. Ja, und nach dem Tod Werners 1817 wird es dann auch öffentlich, dass sich viele Werner-Schüler dann zum Vulkanismus bekennen. Leopold von Buch, wahrscheinlich der berühmteste, der auch sehr viel gemacht hat für den Siegeszug des Vulkanismus, ein Freund von Humboldt, und von Humboldt der größte Geognost unseres Zeitalters genannt, also nicht Geologe, sondern Geognost. Einer der betreutesten Geologen auch, muss man sagen, obwohl ich das ja schon sehr freigebig vergeben habe, aber Werner und Buch sind ganz zentrale Figuren. Und was hat jetzt dazu geführt, dass die Plutonisten... ...überwunden haben, sozusagen? Naja, eigentlich überwunden haben sie es ja nicht, weil es ist ja, wie soll man sagen, eine Tatsache, dass es Sedimente aus dem Wasser gibt, genauso wie eben Gesteine, die vulkanischen oder magmatischen Ursprungs sind, und dass es dann auch noch Metamorphisierung dieser Gesteine aller gibt. Gab es irgendwie bestimmte Ereignisse oder Funde, die dazu geführt haben? Naja, es wird gerne angeführt, dass die Reisen Humboldts da einen großen Einfluss gehabt haben, und auch die Reisen Leoboldt von Buch. Buch ist durch ganz Europa gereist, inklusive. Also von Norwegen bis Marokko und die, wie heißen sie, die glücklichen Inseln, Teneriffa und so weiter. Er kannte sehr viel, kannte alles, und persönliche Anschauungen in Schottland und in Süditalien und weiß es nicht wo, war eine sehr aktive Persönlichkeit und hat auch Humboldt letztlich überzeugen können, dass der Neptunismus nicht alles erklären kann, als dann verstanden wurde, dass diese vulkanischen Systeme, in Mexiko zum Beispiel, zusammenhängen, dass wenn ein Vulkan da ausbricht, 100 oder 1000 Kilometer weiter weg, sich auch Vulkanausbrüche, Erdbeben oder sonstige vulkanische Phänomene ereilen, dass wir es hier mit ganz tiefen Phänomenen zu tun haben, die nicht oberflächlich sind, was Werner angenommen hat. Denn beide Modelle mussten ja erklären, woher kommt eigentlich die Energie, die Kraft, woher kommt das, was Vulkane ausmacht. Und das hat Werner erklärt mit Kohlelagern unter den Vulkanen, die das sozusagen Brennen halten, die natürlich irgendwann mal erschöpft sein müssen. Es gibt keinen ähnlichen Brennstoff, auch Schwefel, Kies und Ähnliches wurden da als Modelle hereingezogen, während die anderen, die Plutonisten oder die Vulkanisten, dann gesagt haben, nein, das ist etwas, was tiefer ist, möglicherweise gibt es ein Zentralfeuer oder etwas im Zentrum der Erde, das im Heiß ist. Das war eine Vorstellung, die Goethe sehr geärgert hat, weil sie ihn an die christliche Hölle erinnert hat. Ich finde es interessant, wenn solche weltanschaulichen oder religiösen oder antireligiösen Dinge da reinkommen, dass man dann etwas verwirft, weil es einem jesuitisch, sagt Goethe, vorkommt. In dem Fall hatten die Jesuiten recht, der hatte Unrecht. Aber es blieb letztendlich alles Spekulation, weil niemand konnte diese tiefen Vordränge, man konnte immer nur vermuten und Plausibilitäten irgendwie erstellen. Genau, du kannst Argumente sammeln und ein Argument war eben, je tiefer ich in einem Bergwerk hinabsteige, desto wärmer wird es. Das wurde diskutiert. Geht das so weiter, wenn ich das interpoliere, dieser Einstieg, oder ist der zufällig, ist der nur lokal, sagt das nichts aus über das Innere der Erde? Denn wenn ich das ausrechne, komme ich irgendwann mal auf Temperaturen, wo es nicht mehr gemütlich ist. Das heißt, man konnte Analogieschlüsse ziehen. Das Problem mit Analogieschlüssen ist, wie weit kann ich so einen Schluss ziehen. Der Granit zum Beispiel, der ja als Urgestein gilt, das älteste Gestein, das die Goldenheit auch für Urgebirgsarten in den Werner, aber nicht nur er, sondern auch Füchsel und andere, der steht ja sozusagen, der ist immer ein sehr tiefes, nicht immer, aber der ist auch ein sehr tiefes Gestein. Man hatte den Eindruck, die Gebirge und die anderen Gesteine lagern auf dem Granit drauf. Der Granit ist also sozusagen das Rückgrat der Erde. Vielleicht besteht auch die Erde, das Erdinnere selbst aus Granit. Es gibt keine These, dass der Kern der Erde aus Granit ist. Aber kann man das wirklich schließen und woher? Schwierig. Das ist ein ständiges Extrapolieren. [Musik] Am Ende haben ja beide Recht in gewissen Bereichen. Also sowohl Gesteine und Gebirge und all dieses Ganze entsteht durch magmatische Ereignisse und gleichzeitig durch Sedimentierung und all dies. Und dann kommen eben so Sachen wie Verfalten und all diese Dinge und Drohungen. Tektonische Prozesse. Klar. Die große Macht der Erosion, das Wandern der Kontinente, das war eigentlich alles nicht klar, selbstverständlich nicht klar. War ja noch im 20. Jahrhundert, das Wandern der Kontinente hoch umstritten. Hat sich eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg wirklich durchgesetzt, weil man erst mal noch eine Erklärung dafür anbieten konnte. Obwohl diese Übereinstimmungen der Küstenlinien schon vielen aufgefallen sind, zu Afrika, Südamerika, zum Beispiel Humboldt, aber auch anderen. Also es gab so grundlegende Selbstverständlichkeiten, gab es nicht. Und umso mehr spekuliert man. Das ist das Interessante. Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied noch zwischen den beiden Systemen, auf die wir noch gar nicht eingegangen sind. Und zwar der Neptunismus ist etwas Zielgerichtetes. Nämlich, wenn ich einen Ur-Ozean habe, aus dem langsam durch Absinken des Wasserspiegels dann die ersten Inseln, Berge und dann Kontinente auftauchen, dann habe ich eine Richtung in der Erdgeschichte. Am Schluss ist dann sehr wenig Wasser da, wohin genau das gegangen ist, in die Atmosphäre oder ins Innere, ist nicht ganz klar. Aber es gibt eine gerichtete Geschichte. Und während dieses Zurückweichens baut dieser alte Ozean eine Schicht nach der anderen auf. Und wir können dieses Zurückweichen ja noch messen. Linné hat das gemessen. Linné war auch Neptunist. Karl von Linné, der große Biologe, der hat nämlich gemessen, wie viel die Küstenlinie der skandinavischen Länder pro Jahr oder pro Jahrzehnt emporsteigt. Was er nicht wissen konnte, es war die Eiszeit, der Eiszeitpanzer, der sozusagen den runtergedrückt hat und jetzt langsam wieder aufsteigt. Er hat das eben gewertet als Zurückweichen des Ozeans. Also er hat einen Prozess, der immer noch stattfindet. Und du hast hier also langsame Prozesse geordnet. Es gibt eine Struktur, nämlich das Zurückweichen des Ur-Ozeans, in dem ursprünglich alles oder vieles gelöst ist an Mineralien, Stoffen an Mineralien, die dann später Gesteine werden. Das ist der Neptunismus. Und der Vulkanismus konnte so etwas nicht bieten. Der konnte zwar davon ausgehen, dass die Erde mal vielleicht eine flüssig-feurige Kugel war, die dann langsam abkühlt. Das Ergebnis ist aber erstens mal ein Kältetod. Weil irgendwann ist das Feuer ganz aus. Und das hatten wir auch im 1800 schon ausgerechnet, wie viele Zehntausend Jahre das dauert. Buffon hat das zum Beispiel ausgerechnet, dass wir dann irgendwann mal alle erfrieren werden, wenn das so stimmt. Aber das erklärt ja jetzt nicht die Entstehung der Gebirge oder sowas, vor allem der vulkanischen nicht. Und da haben sie keine Erklärung dafür gehabt, warum gibt es Vulkane in Italien, aber warum gibt es in Deutschland keine. Warum gibt es erloschene Vulkane in Südfrankreich, aber in Skandinavien hat noch nie einer sowas gesehen. Nach diesen Hebungstheorien, dass eben das aus der Tiefe kommt und eigentlich willkürlich auftritt. Und Hotspots, naja, aus der Sicht der Oberfläche sind das ja willkürliche Eingänge, wo die Inseln Hawaii sich bilden. Das hat Goethe sehr gestört, persifliert und gesagt, ihr habt es eigentlich Glück, dass zwischen Berlin und, was hat er gesagt, Berlin und Potsdam jetzt nicht plötzlich ein Vulkan in die Höhe steigt, der dann alles vernichtet. Also die waren argumentativ, hatten ein Problem. Sie standen auf lockerem Boden. Sie standen auf buchstäblich lockerem Boden und im Faust 2, zeigt das Goethe ja auch, da lässt er den Thales auf den Anaxagoras treffen. Und der Thales ist natürlich derjenige, der sagt, alles ist aus dem Wasser entstanden. Wenn der Anaxagoras sagt, nein, aus dem Feuer, dann streiten sie sich da schon. Das ist also ein ewiger Streit auch aus der Sicht Goethes, das befiedert daran ist, dass das nochmal aufgegriffen wird, dass nämlich dann im vierten Akt des Fausts 2 Mephisto sich noch äußert und der ist natürlich strenger Vulkanist als Bösewicht. Logischerweise. Logischerweise. Und klar, das Feuer, also fürs Feuer im Innern der Erde ist er zu haben und zuständig. Er verbindet das auch mit Schwefelgeruch und Gestank. Das sind alles letztlich nicht nur vulkanistische Thesen, sondern das sind auch die Ausdünstungen, die Brehungen der Teufel da unten, die dann das Oberste zu Unterstes kehren und wird auch mit der Revolution verbunden bei Goethe. Das heißt, das sind also politisch hoch anstößige und unangenehme Prozesse, die dem Mephisto dann in den Mund gelegt werden. [Musik] Wo findet ihr denn, oder die Forschung, dann eben Hinweise, welcher Theorie Goethe dann bevorzugt hat? Na ja, Goethe hat sehr wenig über Geologie geschrieben und drucken lassen. Also geschrieben hat er viel, aber gedruckt wurde wenig, deswegen ist auch nicht bekannt, oder wenig bekannt, dass Goethe sich jahrzehntelang damit beschäftigt hat. Im Nachlass findet sich das, in den Briefen findet sich das, in der Auseinandersetzung mit anderen, die ja vielfach gedruckt sind, in den Gesprächen Goethes, es gibt ja auch eine sechsbändige oder mehrbändige Ausgabe. Aber vor allem im Nachlass, in der Leopoldina-Ausgabe, wo Goethes naturwissenschaftliche Schriften gesammelt sind, und da kann man eigentlich das so genau nachvollziehen, auch die Entwicklung und die ganzen Begleitumstände dieser Diskussionen, dass man sagen muss, nicht nur, weil die Sammlung Goethes erhalten ist, sondern noch mehr, weil diese ganzen Texte erhalten geblieben sind, lassen sich auch die Konzepte des Denkens Goethes, die Naturwissenschaftliche Entwicklung Goethes nachvollziehen. Und eigentlich ist Goethe wahrscheinlich derjenige in der Menschheitsgeschichte, von dem man das geologische Denken am exaktesten rekonstruieren kann, ein Mensch aus der Vergangenheit, im Vergleich zu vielen anderen Geologen, ist Goethe da am besten aufgestellt. Also wir haben unglaublich viele Quellen, mehrere Bände der Leopoldina, die befassen sich fast ausschließlich mit mineralogischen, geologischen Nachlasschriften Goethes zur Eiszeit, zur Gesteinsentstehung, zum Granit, zum Neptunismus, zum Plutonismus, zu diesen Streitigkeiten. Die Kenntnisse Goethes sind da sehr stupend, muss ich wirklich sagen. Auch die technologischen, das würde man einem Schriftsteller nicht zutrauen, und das war er ja auch nicht nur, er war ja auch ein wirklicher Naturforscher. Perfekter Schluss. Ja. Ja, guck mal, wir haben in 50 Minuten eine der größten wissenschaftlichen Debatten um 1800 erklärt. Man könnte noch so viel dazu erzählen und sagen. Was denn? Um Gottes willen, wir werden das aber nicht machen. Was denn? Na ja, die ganzen geologischen Freundschaften. Und zwar? Na ja, wir haben zum Beispiel den Herrn Horace Benedikt de Saussure noch gar nicht erwähnt, den großen ... Wie heißt der nochmal? Horace Benedikt de Saussure, ein Genfer, ein Schweizer, aus der gelernten Familie der Saussures, Sprachwissenschaftler und so weiter kommen ja auch davon, der einer der großen Erforscher der Alpen ist, der versucht hat, das nach dem Wernderschen System zu verstehen, oder über Trebra könnte man unglaublich viel sagen, aber auch über Vogt, der ja eine wirklich interessante Figur ist. Das war die siebte Folge über Goethe und seine Naturwissenschaft mit Thomas Schmuck und Markus Anheuser. Wir hoffen, wie immer, es hat euch gefallen und ihr seid auch nächstes Mal wieder mit dabei. Empfehlt uns gerne weiter. Wir freuen uns über Bewertungen bei Apple Podcasts, Spotify oder wo immer ihr auch den Podcast hört. Macht's gut und bis zum nächsten Mal. [Musik] [MUSIK SPIELT]

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