Goethe | Der Podcast

Marcus Anhäuser, Thomas Schmuck

Zwei Giganten unter sich: Goethe und Humboldt

Stimulans und Schmeichelei

23.08.2024 82 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Folge dröseln Thomas und Marcus das Verhältnis zweier Geistesgrößen um 1800 auf: Unser aller Goethe und Alexander von Humboldt. Auch wenn der Dichterfürst nicht ein so inniges Verhältnis zu Alexander wie zu dessen Bruder Wilhelm von Humboldt hatte, lohnt doch der Blick auf die beiden Superstars ihrer Zeit. Denn Alexander von Humboldt erreichte Größe in dem Bereich, der bei Goethe nicht so sehr im Vordergrund stand: der Naturwissenschaft. Thomas erzählt von so unglaublichen Treffen wie denen zwischen Goethe, Schiller und den beiden Humboldt-Brüdern in Jena, von kleinen Schmeicheleien, überraschenden Affronts und einem klaren Bekenntnis Humboldts, das Goethe dazu veranlasst, sich als den letzten Hüter der Wahrheit zu stilisieren. Auch wenn die beiden als Giganten der deutschen Geschichte beschrieben wurden und werden, man sollte die freundliche Beziehung zwischen Goethe und Humboldt nicht größer machen als sie wirklich war. Dafür haben sie sich wohl viel zu selten gesehen.

Mit Musik via Audiio (von Arms and Sleepers, Simon Osterhold, Marscott, Max Corcoran)

Wir haben aufgenommen: 2024

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Thomas bei der Klassik Stiftung in Weimar.
Marcus bei Riffreporter.

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Transkript

* Musik * Wir wollen uns heute um Goethe und Humboldt kümmern. 2 Superstars um die Zeit 1800. 2 Heroen, hätten wir früher wahrscheinlich gesagt. Okay. * Musik * Herzlich willkommen zur 9. Folge dieses mitreißenden Podcasts über Johann Wolfgang von Goethe und seine Naturwissenschaft. Wie immer mit dabei Thomas von Schmuck, der Kustos der naturwissenschaftlichen Sammlung des größten Dichters und Denkers, den dieses Land je gesehen hat. Und Marcus von Anhäuser. Das bin ich als Wissenschaftsjournalist. Da stelle ich hier die Fragen, denn Herr von Goethe war bis zu diesem Podcast nie mein Thema. Herr Schmuck sitzt in Weimar, wo auch sonst, lebt auch in Berlin und stammt aus Baden bei Wien. Ich lebe im tiefen Osten der Republik in Dresden und komme aus dem Westen, aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Neuwied, in der Nähe von Koblenz, zwischen Köln und Frankfurt. In dieser Folge schauen wir uns das Verhältnis zweier Giganten ihrer Zeit an. Goethe und Humboldt, wie gut haben die sich gekannt? Wer hat wen bewundert oder gehasst und wofür? Haben sie vielleicht sogar zusammengearbeitet? Alles über 2 der wichtigsten Persönlichkeiten des Landes um 1800 herum. Schön, dass ihr dabei seid. Jetzt kommt die Musik. * Musik * Gut, da sind wir wieder. Ich lese gerade mal was vor. Ich habe gestern mal rumgeguckt und es gab mal eine DVD von "Geo". Die behandelte nur das Thema Goethe und Humboldt, zwei deutsche Genies um 1800. Da steht in der Einleitung, wohl keine zwei Menschen stehen markanter und prominenter für jene schillernden, Achtung, schillernden Jahre um 1800. In denen das zwischen Mittelalter und moderne, pendelnde Deutschland eine beispiellose Geistesblüte hervorbringt als Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt. Der eine, schon zu Lebzeiten als Dichterfürst verehrt, befasst sich als sprachkräftiges Genie mit den großen Themen Liebe, Glaube, Tod. Er gründet mit poetischem Intellekt die Gefühlswelten des Individuums. Der andere, ein berühmter Naturforscher, entwickelt als einer der ersten ein Verständnis davon, wie Pflanzen, Tiere, Klima und der Mensch durch ein komplexes Geflecht von Beziehungen miteinander verbunden sind und beeinflusst mit seinen Erkenntnissen die modernen Wissenschaften. Beide Männer weisen über ihre Zeit hinaus, prägen Kultur und Gelehrsamkeit auf Jahrhunderte. So viel das Loblied auf Humboldt und Goethe. Und jetzt wollen wir mal erarbeiten, was es damit auf sich hat. Was war denn das jetzt mit Goethe und Humboldt? Warum man nicht immer Geo lesen muss. Ja, genau. Ist ja mal ein schmissiger Einstieg. Die wollen ja, ist ja der Werbetext für die DVD. Also was hat es auf sich mit Goethe und Humboldt? Die waren, was ich gestern noch gelesen habe, die waren fast gleich alt, also zehn Jahre Unterschied. Also ich habe das mal gelesen, die waren fast gleich alt, also zehn Jahre Unterschied. Also nicht so viel. 20. 1769 ist Humboldt und 1749 Goethe. Na, guck an. Also das ist fast eine Generation. Humboldt hat ja Goethe auch überlebt um viel und lange, so um 30 Jahre fast. Goethe ist 1832 gestorben, Humboldt 1859. Also 1832, das ist, na ja, tiefstes Biedermann-Gespräch. Tiefstes Biedermeier vielleicht. Oder das ist die große Revolution von 1848, die Industrialisierung ist in England schon da, beginnt aber erst. Humboldt stirbt in einer Welt, die auf die Einigung Deutschlands zugeht, die ja dann zwölf Jahre später passiert. Also es sind eigentlich, es ist wirklich eine Generation Unterschied. Und das merkst du auch in der Naturauffassung und in vielen Dingen, ne? Woher kennen die zwei sich? Woher? Na ja, diese Leute haben sich damals immer irgendwie gekannt und in selben Kreisen verkehrt. Die wird ja nicht genügen, nehme ich an, oder? Weil du ein bisschen mehr erzählen kannst. Okay. Ja, kennengelernt haben sie sich über, also im Jahr 1794. Genau wissen wir es gar nicht, wann, ob wirklich im März oder erst später. 1794 in Jena, da hat der ältere Bruder von Alexander von Humboldt, das ist Wilhelm von Humboldt, der dort war ... Also der Bildungs-Humboldt, wie immer so. Der Bildungs-Humboldt, wenn du so willst, ja. Der Biologe und Sprachforscher, Sprachwissenschaftler. Der hatte die Bekanntschaften und Beziehungen mit diesen Weimarer Jenaer Kreisen, mit Schiller und auch mit Goethe. Und da kam natürlich auch der jüngere Bruder. Zwei Jahre jüngerer Bruder, Alexander, dann dazu. Und so hat man sich kennengelernt. Das heißt, da waren zur gleichen Zeit in praktisch der gleichen Stadt Goethe, Schiller, Humboldt und Humboldt. Ja. Mehr geht wahrscheinlich nicht. Ja, na ja, doch, es waren sogar noch ein paar mehr dort. Aber ja, das ist ein Zentrum der Romantik und der Naturwissenschaften um 1800, um 1800. Das ist ja ganz was Außergewöhnliches. Okay. Zu welchen Anlässen haben die sich jetzt getroffen? Also was war so der Grund, warum die sich treffen? Na ja, also Weimar und Jena sind nicht weit weg. Das ist das eine. Zwischen Schiller und Goethe ist ja gerade in diesem Jahr die enge Freundschaft entstanden. Goethe lebt ja schon lange in Weimar. Er ist ja Minister und verantwortlich für ganz viele verschiedene Aufgaben, übernimmt dann auch viele Aufgaben im administrativ-wissenschaftlichen Bereich. Und da gehört eben als quasi Landesuniversität von Sachsen-Weimar, Sachsen-Weimar-Eisenach, auch die Universität Jena mit dazu, die sich die verschiedenen Sächsische Staaten teilen, also Thürnisch-Sächsische Staaten. Und damit ist Goethe sozusagen schon mitverantwortlich für die verschiedenen Aufgaben, die er da hat. Und das ist ja auch das, was wir jetzt hier sehen. Er ist mitverantwortlich für viele Dinge, die in Jena passieren, wissenschaftlich. Als es dann mit Schiller zu dieser engen Freundschaft kommt, die ja zehn Jahre dauert bis zu Schillers frühen Tod, 1805, ja, da kooperieren die, aber natürlich auch noch viele andere. Und da ist eigentlich die engere Freundschaft, diejenige zwischen Wilhelm von Humboldt und Goethe, da ist auch der Briefwechsel ja erhalten, größtenteils, und der ist auch viel umfangreicher als der möglich kleine, erhaltene zumindest, Briefwechsel zwischen Goethe und Alexander von Humboldt. Wenn man sich das mal anschaut, weil ja dann auch von Freundschaft immer die Rede ist, also zwischen Alexander von Humboldt und Goethe, also eine Freundschaft wie das zwischen Goethe und Schiller war, das war es mit Sicherheit nicht. Aber wenn wir uns anschauen, wie oft sich die eigentlich getroffen haben in ihrem Leben, ich habe das mal rausgesucht, ich war erstaunt, wie wenig oft das war. Also, wie gesagt, sie haben sich in Jena 1794 getroffen, und dann, wenn ich alle persönlichen Begegnungen durchzähle, komme ich auf eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. Sechsmal. Davon dreimal in Weimar, das sind aber meistens mehrere Tage, aber nicht viele, also mal ein Wochenende oder mal, ja. Und das sind manchmal 25 Jahre oder noch mehr dazwischen. Also von einer engen Freundschaft kann man eigentlich, hängt davon ab, was man von der Freundschaft versteht. Aber, ja, also die Freundschaft war sicher die zwischen Wilhelm von Humboldt und Goethe, war sicher enger. >>O. K. Aber warum macht denn Geo eine ganze DVD über die beiden? >>S. Effinger: Moment, ich will ja jetzt nicht sagen, dass sie, also die hatten ein sehr kompliziertes Verhältnis zueinander, eines von Bewunderung, aber auch von einer gewissen, von Widersprüchen gegen die jeweiligen wissenschaftlichen Positionen des anderen geprägt. Also eine wirklich große Bewunderung, also vor allem Goethes für den Jüngeren, könnte man viele Zitate bringen, aber auch des Jüngeren, also des Naturwissenschaftlers für den Dichter Goethe, für den Naturwissenschaftler nur teilweise. In manchem schon, in manchem nicht. Das werden wir jetzt vielleicht auch ein bisschen besprechen oder durchsehen. [Musik] >>T. Riechert: Für alle, die nicht mehr ganz so genau wissen, was Humboldt, Alexander von Humboldt jetzt so auszeichnet, bringt doch mal eine kurze Zusammenfassung für den Laien, warum Alexander von Humboldt so bedeutend ist. >>S. Effinger: Na ja, Humboldt ist die Generation um 1800, also wie gesagt 1769 geboren, lebt fast 90 Jahre lang und ist in Berlin-Tegel aufgewachsen, hat sich sehr früh für Natur, Naturwissenschaft interessiert, beginnt sehr früh naturwissenschaftlich zu arbeiten und hat eine große Reise nach Amerika, fünf Jahre lang, ganz außergewöhnlich, so eine lange Reise gemeinsam mit Aimee Bonpland, einem französischen Botaniker und Arzt, und gilt aufgrund der Forschungen, die er da in Amerika gemacht hat, also im heutigen Südamerika, Venezuela, Peru, Kolumbien, Ecuador und dann Mittelamerika, Kuba, Mexiko bis in die USA dann am Schluss, eigentlich als der zweite der wissenschaftlichen Entdecker Amerikas, als solcher ist er ja auch in Berlin mit seiner Statue vor der Humboldt-Universität dargestellt, der Secundo Descubridor der Amerika, hat dann in vielen Disziplinen, naturwissenschaftlichen Disziplinen, Grundlegendes gemacht, auch Disziplinen begründet, wie die Pflanzengeografie, ich verkürze das jetzt, kein Start, hat sich sehr ausführlich mit Geologie, mit Vulkanismus beschäftigt, hat das Erste oder Einer der Ersten verstanden, wie denn die Vulkane, die vulkanischen Erscheinungen zusammenhängen, steht so an der Schwelle zwischen den alten Naturwissenschaften, der alten Naturgeschichte auf der einen Seite und der neuen, dem davinistischen Jahrhundert auf der anderen. Das ist auch so eine Vermittlergestalt, ähnlich wie Goethe, aber Goethe ist noch mehr an dem Punkt in dem Älteren verhaftet, weil er ja der Ältere ist. Humboldt unternimmt dann noch eine weitere große Reise nach Russland und Sibirien, war einer der weitgereistesten Menschen seiner Zeit und kam bis an die chinesische Grenze und hat dann fast 90 gestorben. Und wahrscheinlich auch der höchstbereisten Menschen, also im Sinne von hoch auf den Berg. Genau, das auch. Er hat sehr viele Berge bestiegen, auch in den Alpen, aber vor allem in Amerika, in den Anden, hat er eine Erstbestärkung des Chimborazo und vieler anderer Vulkane in Südamerika versucht. Beim Chimborazo ist es eben nicht ganz geglückt. Und in Mexiko hat er sich ein Jahr lang hauptsächlich mit Vulkanen und den Gebirgen Mexikos geschäftigt, aber nicht nur. Und er steht da auch am Beginn, das ist vielleicht gar nicht so falsch, der modernen Geowissenschaften. Er hat in Freiberg studiert, an der Bergarketemie in Freiberg, nicht ganz ein Jahr, bei Abraham Gottlob Werner, das war ein ganz bedeutender Geologe. Den kennen wir schon. Genau, den kennen wir schon, der ist auch für Goethe sehr wichtig. Der war nicht nur Lehrer von Humboldt, sondern von ganz vielen Leuten, von Novalis, von Theodor Körner, von den anderen Vertretern, der maßgebende Vertreter des Neptunismus. Das hatten wir auch schon in der Folge, eine Folge dazu. Auch Goethe war von Neptunismus sehr überzeugt. Humboldt anfangs auch. Und Humboldt vollzieht aber die Wendung im Laufe seines Lebens, nach seiner Märkereise, vom Neptunismus, also dem Glauben, dem Glauben an ein Erdmodell, dass die Erde und die wesentlichen Gesteine aus dem Wasser, aus dem Wässer, aus einem Urozean entstanden sind. Humboldt nimmt das am Anfang auch für wahr und kommt dann aufgrund eigener Forschungen von anderen, vor allem von Leopold von Buch, andere bedeutende Geologen, dann zum fast Gegenteiligen, nämlich zum Vulkanismus oder Plutonismus, je nachdem, dass die vulkanischen Kräfte maßgeblich Einfluss haben auf die Entstehung und auf die Gestaltung der Erde und der Gesteine. Das haben wir Ihnen in Folge 7 ausführlich erklärt, was sich dahinter versteckt. * Musik * Das klingt doch ganz stark danach, dass Sie da ein gemeinsames Thema haben mit den Geowissenschaften, oder? Das haben Sie auf jeden Fall. Sie haben sehr viele gemeinsame Themen. Das ist eines der ganz wichtigen Themen, aber auch natürlich die Pflanzen und Pflanzen... Geografie ist vielleicht übertrieben, weil das jetzt mit gehört, mit dem könnte weniger zu tun, aber die Beschäftigung mit Pflanzen, irgendwo zwischen Pflanzenmorphologie und Pflanzengeografie, das hat auch beide sehr interessiert. Pflanzenmorphologie, da können wir auf die letzte Folge verweisen, die mit der Morphose, also der Urpflanzentypus, wo sich Goethe intensiv mit befasst hat, seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung hatte. Das heißt, Sie haben genug Gesprächsstoff gehabt. Was sind so die Themen, über die Sie diskutiert haben? Naja, wie können wir denn wissen, worüber Sie diskutiert haben? Das wissen wir gar nicht so genau, weil insgesamt nur 25 Briefe erhalten sind. Das ist einer der winzigsten Anteile der Briefwechsel der beiden. Wenn man es anschaut, Rumpold schreibt im Laufe seines Lebens vielleicht 30.000 Briefe, bekommt noch mehr fürchtlich. Goethe ist in ähnlicher Dimension, auch zehntausende Briefe, wobei die Briefe Goethes mehr noch erhalten sind als die anderen, denn Goethe hat zumindest lange Zeit... Die Briefe hat er meistens diktiert, und von diesen Diktaten gibt es Abschriften, die wurden gesammelt, bereits von seinem Sekretär selbst. Wenn man dann wieder einen Brief zurückkommt, kann man im Notfall nachschauen, was man selbst geschrieben hat. Davon machen aber nur 25 den erhaltenen Briefwechsel aus. Ein Teil des Briefwechsels ist nicht erhalten, weil Rumpold die Angewohnheit hatte, Briefe zu verbrennen. Auch Briefe Goethes, sagte er dezidiert, und Schillers und was weiß ich von ganz berühmten Leuten verbrannt. Weil ich eine Abneigung habe, das ganze Zeug aufzubewahren. Ich sage das jetzt ein bisschen... Ja, aber ist ja nachvollziehbar. Rumpold war ein Mensch, der nicht an einer Stelle gelebt hat. Er war in Paris, in Berlin, in Rom, oft auf Reisen, vielleicht werden wir da noch genauer drauf zu sprechen kommen. Er hatte nicht irgendwo ein Depot, eine Sammlung, sondern er hat die Dinge, die er gesammelt hat, immer abgegeben. Dupletten oder ganze Suiten, ganze Teilsammlungen nach Paris, nach London, nach Berlin, sonst wo hin, nach Madrid. Er hat sich mit dem nicht beschwert, ganz im Gegensatz zu Goethe, der alles nach Weimar gesammelt hat und das hier zur Verfügung haben musste und wollte. So sind diese Briefe abhandengekommen. Deswegen ist es nicht ganz einfach zu sagen, worüber haben sie denn eigentlich und was genau. Aber es gibt natürlich andere Möglichkeiten, das herauszufinden. Und zwar welche? Na ja, indem man einfach das Puzzle zusammensetzt. Wir haben in der Bibliothek Goethes Schriften, die Humboldt ihm geschickt hat, mit eigenen Widmungen, mit der Handschrift Humboldts also drinnen. Wir haben Reaktionen, Gesprächsaufzeichnungen. Die Gespräche Goethes, die Gespräche Humboldts sind ja auch gesammelt und ediert worden. Und wenn man das alles zusammensetzt, dann kann man sich schon ein Bild machen von den beiden. Gerade zum Beispiel, wenn du sagst, die Gespräche wurden aufgezeichnet, was ist jetzt mit Gespräch gemeint? Da saß dann jemand dabei und hat das protokolliert? Nein, also wenn Goethe was geäußert hat, mit Frederic Soirée, seinem mineralurgischen Freund sozusagen aus Genf, oder mit dem Kanzler Müller oder mit ähnlichen Leuten, oder mit Eckermann eben. Dann haben die irgendwann mal das zusammengefasst geschrieben, zehn Jahre mit Goethe oder meine Unterhaltungen mit Goethe oder Ähnliches. Und haben dann in den Tagebüchern, in den Erinnerungen zusammengefasst und das dann ediert. Und da gibt es dann natürlich verschiedenste Äußerungen. Also zum Beispiel bei Eckermann, Äußerung Goethes über Humboldt. Und so weiter. - Okay. Und wenn man das alles zusammenträgt, das ist natürlich nicht so einfach. Also es ist schon einfach, aber es ist jedenfalls ein bisschen Arbeit. Wir haben eben nicht so einen geschlossenen Briefwechsel, wo wir dann eins zu eins sagen können, an diesem Tag haben Sie dieses Missverständnis gehabt, oder haben Sie das nicht besser verstanden, oder haben Sie über das diskutiert. * Musik * Du hast eben erzählt, Humboldt hat ihm Teile seiner Schriften geschickt, mit Unterschrift und mit Autogramm und so. Gibt es denn in eurer Sammlung auch Fundstücke, also wegen mehr Steine oder sonst irgendwie andere Teile in der Sammlung, wo ihr wisst, die hat ihm Humboldt von der Reise geschickt oder so? Das ist eine gute Frage. Leider nicht. Wir wissen aus dem kleinen Briefwechsel, dass Humboldt so Mineralien geschickt hat, noch vor seiner Reise. Aber die sind nicht auffindbar. Vielleicht haben wir sie, aber sie sind nicht mehr identifizierbar als diese Humboldt-Stücke. Nein, die Frage muss man mit Nein beantworten. Das Einzige, was wir haben, ist ein kristallisierter Sandstein aus Fontainebleau von Wilhelm von Humboldt. In der Sammlung, die Wilhelm von Humboldt aus Paris Goethe geschickt hat, auf eine Bitte Goethes hin, weil diese, das ist eigentlich ein Mineral, ein Gestein in der Form eines Minerals, eine Pseudomorphose, weil die eben berühmt und bekannt waren im 18. Jahrhundert. Sogar der französische König sich das hat zeigen lassen. Das wollte Goethe eben auch haben und sehen und in seiner Sammlung haben und hat ihm geschickt. Das ist das einzige Objekt der Humboldts, das wir nachweisen können in Goethes. Naturwissenschaftliche Sammlung. Leider. Das heißt, okay, ein kleiner Briefwechsel. Was steht denn so in den Briefen drin? Das sind ganz unterschiedliche Themen. Man muss es, glaube ich, so sehen. Humboldt war jung, eben 20 Jahre jünger, war der Werbende. Goethe war der berühmte Dichter, der Staatsmann, der Karriere gemacht hat im Fürstendienst. Kleines Fürstenhaus, aber doch. Während Humboldt ja im Umkreis des Preußischen Hofes sehr nahe dem König auch gestanden hat, Friedrich Wilhelm IV. Und vor allem Friedrich Wilhelm V. Und dann spät, äh, dem III. und dem IV., entschuldige, was steht da drinnen? Humboldt wirbt ein bisschen um den älteren Dichter, widmet ihm Dinge, schenkt ihm etwas, was nicht mehr erhalten ist. Goethe kennt den Jüngeren, er kennt ja auch schon den älteren Bruder. Und er ist immer mehr angetan vom Wissen und von der Bildung, der naturwissenschaftlichen Bildung, der Fülle, dem Einzelnen, dem Detail. Das finde ich sehr imponierend. Das ist, glaube ich, auch der Grund, den dieser Freundschaft, der man so nennen will, oder diesen guten Bekannten, das ist es ja auf jeden Fall, dass Goethe eigentlich den Jüngeren bewundert, für seine ausgebreiteten naturwissenschaftlichen Kenntnisse, Interessen und Ideen. Während der ältere Bruder, Wilhelm von Humboldt, ja Gesprächspartner ist, vor allem für Literatur, für Biologie, Literatur. Kann man das ins Verhältnis setzen, weil du sagst, der Briefwechsel von Goethe und Alexander von Humboldt ist relativ klein, der mit Wilhelm von Humboldt ist sehr groß. Hast du da eine Vergleichszahl zufälligerweise? Ich weiß jetzt nicht, wie viele Briefe erhalten sind an Wilhelm, aber wenn man sich die Edition anschaut, die es gibt, die ich mir vorgestellt hatte, dann kann man sagen, dass 9/10 des Buches die Wilhelm-Briefe ausfüllen und 1/10 die Alexander-von-Humboldt-Briefe. (Musik) Also der Jüngere hat den Älteren, also Alexander von Humboldt hat Goethe in irgendeiner Form bewundert. Aber das geht jetzt auch in die andere Richtung, weil Goethe ist zwar natürlich eine große Persönlichkeit, aber eben auf dem geisteswissenschaftlichen Bereich ist aber gleichzeitig eben auch Naturforscher. Da hatten wir letztens auch diesen Punkt, als er die Metamorphosen rausgebracht hat, da tauchte so ein bisschen dieses Problem auf, dass er eben als Dichter und Denker berühmt ist und sich als Wissenschaftler nicht wirklich ernst genommen gefühlt hat. Und gleichzeitig ist Humboldt natürlich auf dem Feld schon ziemlich groß. Gibt es da eine Überwunderung von Goethe in Richtung Humboldt? Ja, die gibt es. Und diese Urteile, die Goethe über Humboldt abgegeben hat, die bleiben sich eigentlich ziemlich gleich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte. Ich kann mal eines vorlesen. 1797 schreibt Goethe an seinen Herzog Karl August, der Umgang mit Humboldt, Zitat, ist äußerst interessant und lehrreich. Man könnte in acht Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vorträgt. Und 1826 sagt Goethe zu Eckermann, Humboldt ist ein Brunnen mit vielen Röhren, wo man nur überall Gefäße unterzuhalten braucht und wo es uns immer erquicklich und unerschöpflich entgegenströmt. Das Bild ist anders, aber die Sache ist eine echte Geschichte. Und das ist das, was Humboldt in diesem Buch so macht. Die Sache ist eine ähnliche. Humboldt hat doch sehr gerne geredet. Vielleicht muss man das auch dazu sagen. Humboldt hat sich auch gerne reden gehört. Das wusste er selbst. Humboldt hatte aber auch viel zu sagen. Ich will auch sagen, er hat einfach eine Menge erlebt und zu erzählen. Ja, und da konnte er auch ... Wenn du mit ihm über Naturwissenschaften gesprochen hast, da konnte er, egal welches Thema, ob das jetzt Meteorologie oder Botanik oder Geologie oder sonst was ist, da konnte er darauf hinweisen, dass er einige dieser Disziplinen mitbegründet hat. Da konnte jeder, der sich für Natur und Naturwissenschaft interessiert, wirklich sehr viel lernen. Wir haben gerade Karl August erwähnt, den Herzog, Dienstgeber Köthes, der auch sehr Naturwissenschaft interessiert war und gesammelt hat. Der hat den letzten Tag seines Lebens, der Nacht darauf, oder am nächsten Tag ist er gestorben, so muss man sagen, zufällig, nur mit Alexander von Humboldt verbracht in Potsdam. Er hat sich mit ihm über wirklich schwierige naturwissenschaftliche Themen, über Doppelsterne und über das innere Bau der Kometen, die innere Wärme der Erde und über aktuelle und auch wirklich komplizierte Themen der Zeit, um, wann ist er gestorben? 1828, nämlich der Herzog unterhalten. Also, die haben sich alle in so einem Milieu bewegt, das sich dafür interessiert hat, das selbst was dazu beigetragen und gemacht hat oder das zumindest gefördert hat. Und das ist wahrscheinlich heute anders, aber dieses Netzwerk, das war eben, da war Deutschland und Europa ausgespannt. >>Ich muss gerade noch mal zum Anfang zurück, weil wir diese vier großen Persönlichkeiten an einem Ort mehr oder weniger hatten. Weißt du, ob es ein protokolliertes Treffen von Goethe, Schiller, Humboldt und Humboldt gibt? >>Ich glaube, ja. Es gibt zumindest mehr oder weniger gelungene Grafiken, die das darstellen, die aber erst lange nach diesem gemeinsamen Treffen entstanden sind, die also nicht nur grafisch schlecht sind, sondern auch keinen dokumentarischen Charakter haben. Dazu muss man sagen, was Alexander von Humboldt nicht wusste, dass Schiller mit ihm nichts anfangen konnte und ihn eigentlich nicht mochte. Schiller hat zwar in seiner Zeitschrift, die er begründet und geleitet hat, "Die Horen", die Erzählung von Humboldt aufgenommen. Das ist die einzige Erzählung, die es gibt von einem Naturwissenschaftler. Humboldt ist sozusagen auch mal in einem anderen Gebiet tätig. Diese wirklich strikte Trennung zwischen Kultur und Naturwissenschaft, zwischen Natur und Dichtung usw., das ist danach nicht so strikt wie vielleicht heute. Diese Erzählung hat er zwar aufgenommen, hat sie aber nicht geschätzt. Humboldt wusste aber nicht, dass Schiller nicht so geschätzt wurde. Er kam erst viele Jahre nach Schillers Tod, dann zufällig durch den Briefwechsel im Trauf. Das hat ihn sehr enttäuscht. Er hat Schiller eigentlich sehr geschätzt, fast mehr noch als Goethe. Oder zumindest ähnlich wie Goethe, das kann man sagen. Das hat ihn dann auch getraut. Ist das eine Abneigerung gegen die Person Humboldts? Oder einfach, weil er mit Naturwissenschaft nichts anfangen konnte? Schiller war ja studierter Mediziner, hatte ein abgeschlossenes Medizinstudium. Im Gegensatz zum Juristen Goethe, der sowas nicht hatte. Es gibt sogar ein Rezept für einen Kranken, das Schiller mal ausgestellt hat. Er hat das aber nie weiter betrieben und hat dann eben eine Dichterkarriere gemacht. Eigentlich sollte man ja erwarten, dass Schiller da mehr Verständnis hat. Auch sein Vater war ja ein berühmter, wenn ich jetzt sage Gärtner, klingt das komisch, aber Obstbahnzüchter. Und hat in diesem Bereich, in Südwestdeutschland, in Württembergischen eine wichtige Rolle. Schiller ist mit sowas aufgewachsen. Was ihn an Humboldt gestört hat, ist, dass er, Schillers Meinung nach, alles mit Vernunft, Verstand, mit dem Zerlegen, Zerteilen, Zitieren, Messen beurteilen möchte, was Schiller abgestoßen hat. Der klassische Redaktionisten-Vorwurf. Genau, kann man so sagen. Schiller hat das eher ganzheitlich betrachtet und Humboldt hat es zitiert und auseinandergenommen. Genau, das Lustige daran ist, die Ironie der Geschichte ist ja die, dass Humboldt dann ja lange, Humboldt überlebt ja alle. Schiller stirbt 1805, Goethe 1832, Wilhelm von Humboldt 1835 und Alexander 1859. Also der überlebt hier zum Teil um Jahrzehnte. Er ist als letzter Repräsentant dieses Ganzheitsdenkens, das eben von Schiller und Goethe und dieser Weimarer Klassik gilt. Und dass ihm das dann von den sich weiterentwickelnden Naturwissenschaften, die dann immer empiristischer werden, immer positivistischer werden, vorgeworfen wird. Dass er eigentlich auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, sondern dieses Ganzheitsdenken, das kann ja nicht weg. Humboldt ist derjenige, der das einer der ersten Radistiken gemacht hat, dass er Reihenuntersuchungen gemacht hat. Also immer wieder alles zu messen und dann den Medianwert. Was können wir daraus erkennen? Er ist eigentlich einer der ersten Naturwissenschaftler, die so arbeiten wie wir heute noch. Nur fasst er das Ganze dann eben zusammen, zu einem ganzheitlichen Bild, einem Gemälde, oder wie man das damals nennt. Ist das eigentlich ein Punkt, den Goethe dann besonders interessant fand? Was Goethe interessant fand, ich denke, Goethe hat die Überlegenheit Humboldts auf den meisten Gebieten der Naturwissenschaften anerkannt. Vor allem hat ihn als Ideenbringer und als ein Mensch, der sich gründlich mit vielen dieser Naturwissenschaftenfragen beschäftigt hat, also auch als Stimulanz sozusagen für sich selbst empfunden. Allerdings gab es eben auch Bereiche, wo sie so konträre Meinungen waren, dass man dann auch gegenteilige Zitate finden kann. Man kann bei so viel überlieferten Texten natürlich immer was finden, was dann eigentlich das Gegenteil beweist. Und das kann man auch hier machen, nämlich da, wo sie ganz schlecht übereinander gesprochen haben. Das müsste man vielleicht auch mal vorlesen. Vielleicht unterhalten wir uns aber noch vorher über das, was man sich widmet, was man sich schenkt, was man sich schreibt. Weil wir ja mit den Briefen nicht ganz so gut bestückt sind. Die Briefe, wenn es lief, finden sich dann wieder im Goethe-Schiller-Archiv oder gibt es die auch bei euch? Das Goethe-Schiller-Archiv gehört zu uns. Das ist Bestandteil der Klassikstiftung. Das ist ja nur ein paar Fußschritte von hier entfernt. Ja, das ist größtenteils bei uns. Aber natürlich ist ein Teil des Humboldt-Nachlasses in Berlin und in Breslau relativ weit verstreut. Aber der größte Teil ist hier. Uns ist ja so eingeteilt, dass die Objekte sozusagen bei einem Haus sind. Und die schriftlichen Sachen sind dann eben im Goethe-Schiller-Archiv, also sozusagen um die Ecke. Und die Bücher sind in der Anna-Maria-Bibliothek. Okay, was gibt es da noch? Das Tolle ist, das ist jetzt wirklich schön, wenn man das machen kann, wenn man in Goethes Privatbibliothek geht, was ich vor ein paar Jahren gemacht habe, und mir da jedes Buch angesehen und rausgenommen habe, das mit Naturwissenschaften zusammenhängt. Das sind sehr viele. Goethe hat über 7000 Bücher in seiner Privatbibliothek. Allein die Geowissenschaften sind fast knapp 400. Und wenn man sich diese Bücher anschaut, dann haben einige Widmungen drinnen. Und das ist wirklich schön, wenn man sich die Bücher anschaut, dann sieht man, dass es sehr viele sind. Und einige haben auch Anmerkungen, Unterstreichungen, gar nicht so viele drinnen. Und da gibt es auch Bücher mit den Originalwidmungen von Humboldt an Goethe. Und das ist natürlich schon was Tolles, finde ich. Humboldt hat einige seiner berühmtesten Werke an Goethe geschickt. Das eine wirklich berühmte ist die "Geografie der Pflanzen". Das andere ist seine Rede über den Bau und die anderen Widmungen dabei. Bei der "Geografie der Pflanzen" ist es so, die hat er 1806 an Goethe geschickt. Da hat er es sich nicht nehmen lassen, ein von Bertolt Thorvaldsen selbst gestaltetes "Frontispiedsbild" mitzuschicken. Das ist im Buch drinnen. Darunter steht groß "An Goethe". Und das Bild selbst zeigt eine nackte Männergestalt, Apollo mit der Leier, die von der Statue der Natur den Schleif hat. Die Natur wird entschleiert, die vielbrüstige Isis ist das, wird entschleiert. Angeblich sollen die Züge dieses Apollo die Züge Goethes sein. Ich erkenne ihn jetzt nicht unbedingt, aber kann auch nicht widersprechen. Aber was eben wirklich darunter liegt, ist eine Steintafel. Und da steht drauf "Metamorphose der Pflanzen", also das Werk von Goethe. Und das ist eine unheimliche, unheimliche, unheimliche, unheimliche, unheimliche, unheimliche Geschichte von Goethe. Und das ist eine Hommage, wenn man so will, des Naturforschers, der gerade aus Amerika zurückgekommen ist, an den Dichter. Das wird Goethe extrem geschmeichelt haben, schätze ich. Nachdem, was du uns letztens erzählt hast über die Metamorphose und wie wichtig ihm das Buch war und wie wenig Anerkennung er dafür bekommen hat. Er wollte ja die Grafiken in dem Buch haben, und der Verlegat war nicht so dafür. Und da hat Humboldt gut erkannt. Ja, Humboldt wusste, wie man es macht. Der hatte, ja, ich lobe alle, ich schmeichle allen, ich mache das alles für die Wissenschaft. Und der Brief ist erhalten dazu. Da schreibt er dann an Goethe, dass Humboldt sich erfreut hat, dass er in den einsamen Wäldern am Amazonenfluss der Gedanke erfreut hat, ihnen, den Erstlingen dieser Reise, dieser amerikanischen Reise widmen zu dürfen. Und ich habe diesen fünfjährigen Erfolg und diesen fünfjährigen Entschluss, schreibt er wörtlich, auszuführen gewagt. Der erste Teil meiner Reisebeschreibung des Naturgemäldes der Trogenwelt ist ihnen zugeeignet. Und das Besondere daran ist, das stimmt alles nicht. Wie? Humboldt wollte dieses Werk Schiller widmen. Okay. Aber Schiller ist 1805 gestorben, also ein Jahr davor. Und wenn Humboldt eine Gedanken hatte, dann eben, denen nicht fünf Jahre lang dann endlich Goethe schenken zu können, sondern er wollte Schiller, wusste dann noch nicht von der leichten Aversion, die Schiller da hatte und hat dann aus der Not eine Tugend gemacht. Ja, er hat sich wirklich eingeschmeichelt. Ja, das kann man ein bisschen so sagen. Aber woher wisst ihr, dass er das eigentlich Schiller widmen wollte? Das schreibt er woanders oder das wird woanders klar. * Musik * Goethe bedankt sich auch dafür. Das ist auch eine sehr schöne Geschichte. Denn Goethe schreibt in den Jahren darauf die "Wahlverwandtschaften", das ist ein Kurzromane, der 1809 erscheint. Und 1809 heißt es dann in den "Wahlverwandtschaften", zitiert er indirekt Humboldt. Und zwar Humboldt hat ihm selbst geschrieben, als er seit 1806 zurück war, als er auch wieder was geschickt hat, dass es ja schön ist, an einem rauen Winterabend auch mal gerne in der Fantasie in einem schön belaubten Tropenwald umherzuwandeln. Also wenn man das jetzt nie ist, irgendwo im kalten, winterlichen Winter, im kalten, winterlichen Weimar, draußen ist der Schnee, wir haben die kleine Eiszeit, und wir stellen uns vor, wie das ist. Und eine der Protagonistinnen des Romans, die "Wahlverwandtschaften", Othilie, beschreibt dann im Tagebuch, wie sie da eben Bilder von Affen und tropischen Tieren und so weiter durchblättert und sich anzieht. Und die sich einerseits erschrecken, aber auch andererseits faszinieren. Und dann schreibt sie, also jemand, der dort hinreist, der wird mit diesen Wundern da in Verbindung kommen. Und es wird ihn aber auch verändern, denn es wandelt niemand ungestraft unter Palmen. Und die Gesinnungen ändern sich gewiss in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind. Und dieses Zitat ist eigentlich ein Krypto-Zitat. Das konnte eigentlich nur Humboldt verstehen unter all den Lesern, denn nur er kannte ja diesen Brief, wenn er sich noch erinnern konnte, diese Briefstelle. Und Goethe schreibt das dann auch in dem Brief an Humboldt, der es schon hat. Und er entschuldigt sich dann dafür, dass Humboldt schon zu Lebzeiten unter die Heron in der Poesie aufgenommen wird. Weil der Name Humboldt, der dann auch fällt im Roman, ist der einzige Name in diesem Roman, der sich auf eine reale, wirklich existierende Person bezieht. Alle anderen Namen sind fiktiv. Also das ist eine charmante, wenn man so will, Retour, Kutsche, Widmung, Rückwidmung, ja, eine Omage, eine Omage. Ja, eine Hommage an den jüngeren Naturforscher. Also ich stelle mir vor, diese Forschungsreisenden waren zu der Zeit wirklich, mein Gott, die sind an die Grenzen von allem gegangen und waren im Prinzip wie Astronauten zur heutigen Zeit. Ja, manchen Dingen, ja, kann man so sagen. Gibt es von Goethe eigentlich irgendwie Aussagen dazu, dass man sich nicht mehr so ein bisschen in die Natur fassen kann, oder gibt es von Goethe eigentlich irgendwie Aussagen dazu, weil er selber ja keine von diesen großen Forschungsreisen gemacht hat. Gibt es irgendwie Schriftstücke, wo er sich dazu äußert, ob er so was mal gerne machen würde oder wie sehr er so Leute bewundert oder so? Naja, also in Bezug auf Reisen meinst du jetzt? Mhm, Reisen und dann natürlich in Verbindung mit dieser ganzen Forschung. Ja, also was Goethe schon gemacht hat, er ist natürlich nicht so viel gereist wie Humboldt, er hat auch nicht diese Forschungsreisen gemacht, er war auch nicht so unabhängig wie Humboldt. Humboldt hatte ja durch seine Herkunft doch nach dem Tod der Eltern dann ein gewisses Erbe, das er verbrauchen konnte und das er auch für die Forschung eingesetzt hat und hat sich dann so einen Ruf und Ruhm erarbeitet, dass er da viel unabhängiger war, das ist ja eigentlich die Ausnahme. Wie die Amerika-Reise machen, er konnte sogar einen Freund mitnehmen, Emile Bourbon, dem er die Reise quasi finanziert hat. Das war bei Goethe, der jetzt auch nicht arm war, aber war Goethe natürlich nicht der Fall. Und die italienische Reise, die er gemacht hat, war für ihn diese große Bildungsreise. Die hat er nicht nur als Bildungsreise gemacht, wie das viele gemacht haben im 1800, sondern bereits sein Vater hat diese Bildungsreise gemacht. Goethes Vater, Johann Caspar von Goethe, auf Italienisch hat er das Buch geschrieben. Es war also ein sehr italophiles und reisefreudiges Haus, das Reisen bildet. Und auch der Sohn Goethes hat ja diese Italienreise gemacht, ist dabei ja gestorben und in Rom begraben, vor dem Vater. Eine Katastrophe in Goethes Leben. Also man ist gereist und das Reisen war nicht ganz ungefährlich und das Reisen hat in dem Fall Goethe gebildet über den Bau der Alpen, wenn wir in der Naturwissenschaft nachher anziehen, oder über den Vulkanismus in Italien, den Vesuv, das Meer zu sehen, die Farben, die intensiveren Farben der Mittelmeerwelt, die Pflanzen der Mittelmeerwelt. Also für Goethe war seine Italienreise, seine beiden eigentlich, aber vor allem seine große erste, und auch die drei Schweizer Reisen, die er dann auch in Italien gemacht hat. Aber natürlich, ich meine, so was wie Humboldt machen nur wenige, das ist klar. Also im Vergleich dazu deutlich geringer. Goethe hat diese Reisen ja auch ein bisschen als, ich will nicht sagen als Flucht vor dem Weimarer Hof, aber als Flucht vor diesen Verhältnissen, wo er ganz stark angespannt war. Der war ja 26-Jähriger, wurde ja plötzlich Minister für die unterschiedlichsten Dinge, von denen er keine Ahnung hatte, das war sehr anstrengend. Und daneben hat er auch geschrieben und hatte auch Angst, dass er seine dichterische Potenz verliert, wenn er da jetzt länger sich um Ministeriales, um Verwaltungsdinge kümmert, um Bergbau, Straßenbau, Soldaten, die eingezogen werden müssen. Und ob die Parkwege jetzt gekist sind oder geschottert oder was auch immer, um diese Dinge ging es da eben ständig. Und das Ganze in der Geheimradia, in einem geheimen Konsilium, also in einem nicht öffentlichen, mehr heißt das ja nicht, Konsilium, da musste man dann ständig mit dabei sein. Wurde er noch angefeindet oder war er nicht richtig akzeptiert? Weil er ja als der Genie galt, der sozusagen durch die Kunst des Fürsten nur was geworden ist, der aber nie richtige Verwaltungslehre oder sonst was da konnte und auch nichts mitgebracht hat, um gewisse Vorteile zu überwinden. Das war recht anstrengend. Du hattest mal erzählt, dass Goethe ja auch so Ausflüge gemacht hat, selber in den Harz. Das war leider in den Harz oder in Erzgebirge. Böhmen war ganz wichtig. Zwei Jahre, glaube ich, wenn man es zusammenrechnet, war Goethe insgesamt in Böhmen. Die Schweiz war wichtig, haben wir schon erwähnt. Goethe kam bis nach Schlesien und Polen, kam bis in die Champagner im Westen in Frankreich. Das war in den ersten paar Tagen. Das ist ungefähr so der Radius, der das Ganze abdeckt. Also im wesentlichen Mitteleuropa und Italien. Südlichster ist eben Sizilien, von wo er von der Südküste dann rübergesehen hat, weil man in der Hoffnung, dass man was von Afrika sehen kann oder in Richtung Afrika sehen, das war das Weiteste. Damit war er weitergereist als, sagen wir, Wieland oder Höllerlin oder Kleist oder Schiller. Oder Scharpaul oder wie wir sie alle nennen. Man muss wirklich nachdenken, wen findet man, wer so wie Humboldt gereist ist. Dann ist vielleicht Georg Forster, Johann Reinhold Forster zu nennen, die ja bei der Krukschenreise waren. Waren da denn eigentlich auch so, ich nenne es jetzt mal Ausflüge oder kleinere Reisen, die explizit gemacht wurden, weil er geologisch irgendwie nicht so gut war? Weil er sich geologisch eine Gegend angucken wollte oder weil er irgendwas sammeln wollte? Ja, also die Reisen waren meistens verbunden mit irgendwelchen Aufträgen oder mit Kuren. Aber sie waren auch immer oder fast immer dezidiert mit Forschungsfragen verbunden. Also das Erzgebirge mit seinen Bergwerken, natürlich ganz wichtig für die Geologie, aber auch in Böhmen. Wie entstehen diese Wässer dieser Kur, die Kahlsbad, Marienbad, Franzensbad? Dort besucht man einen Vulkan, einen erloschenen, den man achtmal besteigt, einen kleinen, den Kammerberg. Mit anderen Wissenschaftlern diskutiert man darüber, ob dieser Berg jetzt wirklich ein Vulkan ist oder doch irgendwie anders entstanden. Dasselbe gilt da auch in Polen, da wird ein berühmtes Salzbergwerk besucht. Oder wenn ich in der Champagne bin, das ist ein Feldzug gegen die Revolutionsarmee, wo Goethe im Dross von Karl August mitzieht, dann interessiert er sich für die Farberscheinungen in den Lacken und kleinen Teichen im Sinne seiner Farbenlehre. Es ist immer so was dabei, mal mehr, mal weniger. Aber eigentlich ist es immer sehr präsent. Und die letzten, musst du noch mal erklären, das heißt, die waren irgendwie auf einem Feldzug? Ja. Die einen haben sich bekriegt und Goethe hat sich um die Farberscheinungen gekümmert? Ja, das ist eine sehr interessante Geschichte. Also Frankreich bricht ja die Revolution aus 1789. Das wird sehr schnell, in einen europäischen Krieg sozusagen geht das über, wo Preußen und Österreich und dann auch Großbritannien auf der antifranzösischen Seite stehen und die französischen Revolutionsarmeen dann über den Rhein hinaus drängen. Mainz, deine erste Republik, die gründen sozusagen auf deutschem Boden. Da gibt es eben ein preußisches Heer, das dann in Frankreich eindringt. Und das dann bei Valmy, der Kanonade von Valmy, zurückgeschlagen wird. Und da ist Goethe dabei, das ist seine Begegnung mit dem Krieg. Und er ist aber dabei auch als Politiker? Genau, er ist als Berater des Herzogs dabei und nicht als Soldat. Da lernt er den Krieg sozusagen ablehnen. Der Krieg kommt ja dann nach Weimar später, viele Jahre später. Aber das ist seine erste größere Begegnung. Das ist seine Begegnung mit dem Krieg. * Musik * Okay, wir waren dabei. Du wolltest noch ein bisschen ... Wenn es noch weitere Sachen gibt in den Briefen, die du dir noch nicht veröffentlicht hast, die du dir noch nicht veröffentlicht hast, die sind ja die beiden, wo Humboldt und Goethe der eine dem anderen geschickt hat. Ja, genau. Wir hatten ja das eine Buch, die Geografie der Pflanzen, erwähnt. Und das andere haben wir auch schon erwähnt, aber noch nicht genauer besprochen. Das ist die "Über den Bau und die Wirkungsart der Vulkane". Und das hat Goethe auch bekommen von Humboldt 1823. "Gefühlt als einen schwachen Beweis der innigsten Bewunderung, Dankbarkeit Alexander von Humboldt." Alexander Humboldt. Humboldt hat sehr gerne "ohne von" unterschrieben, übrigens. Humboldt hatte sehr starke republikanische Neigungen. Also, es war schwierig zu sagen, was er politisch wirklich gedacht hat. Wahrscheinlich einen verfassungsmäßigen, abgestützten Absolutismus, also eine Monarchie. Aber er war jedenfalls ein starker Verwender der französischen Revolution und auch der republikanischen Lebensform, was in gewissem Widerspruch gestanden ist, zum Hof. Aber das wusste man, hat man auch toleriert. Goethe war da ganz anders. Das ist aber jetzt nur, weil das "von" so auffällig fehlt. Auch gegenüber Goethe, der ja geadelt wurde und der ja eher konservativ war. Und der nicht viel gehalten hat von der Vernunftsfähigkeit des Volkes. Und auch ein Anhänger war der Impfpflicht zum Beispiel. Das ja auch ein aktuelles Thema war der letzten Jahre. Also, Goethe war der Meinung, dass es eine Impfpflicht geben sollte. Das heißt, Alexander war schon immer ein "von" von Humboldt und hat gerne mal drauf verzichtet, während Goethe anfangs kein Johann Wolfgang von Goethe war, sondern das kann man später lesen. Er war diebstes Bürgertum aus Frankfurt und wurde dann geadelt, weil man sich am Hof ja nur bewegen kann, wenn man adellig ist. Sonst hast du ständig die Schranken. Es wurden eigentlich alle geadelt. Schiller, auch Herder hat sich selbst dann woanders gekümmert. Geadelt werden nur Wieland von diesen vier großen Weimarern. Hat verzichtet auf den Aufklärer. Das war ihm eigentlich egal. Und Goethe Stellung war ja nicht unprekär, dadurch, dass er ja eine Frau hatte, die er dann auch geheiratet hat in den Wehren des Krieges, dass es nicht so aufgefallen ist, wo es mit den Leuten anderes zu tun hat, hat Goethe schnell geheiratet, mit der er schon sechs Kinder gezeugt hatte und mit deren wilder Ehe gelebt hat, und die man ja nirgendwo mitnehmen konnte, weil sie es nicht standesgemäß war, weil sie nicht mal bürgerlich war, sondern aus dem kleinbürgerlich-päbischen Umfeld gekommen ist. Da fällt dann das Bild des Karrieristen Goethe ein bisschen in sich zusammen. Da war er konsequent und da hat er seine Frau auch immer beschützt, was ich einen schönen Zug jetzt an ihm finde. Dieses Buch, da waren wir ja stehen geblieben. Da schickt Humboldt Goethe, was Goethe ja nicht wahrhaben wollte schon davor, an den Meldungen und was sich so abgezeichnet hat. Humboldt vollzieht in diesem Büchlein, das ist ja wirklich interessant zu lesen, die Wendung vom Neptunismus zum Vulkanismus, macht das auch öffentlich. Und es ist kein Zufall, dass das 1823 ist. Es ist nämlich ein paar Jahre nach Werners Tod, vor Werners Tod wollte Humboldt das nicht machen. Aber ein paar Jahre nach Werners Tod, sehr öffentlich, ganz wirksam, das Zentrum der deutschen Wissenschaft in Berlin, an der damaligen königlichen Akademie der Wissenschaften, öffentlich zu verkünden, dass eigentlich das alles vulkanistischen Ursprungs ist. Und das schickt er noch dazu Goethe. Da ist eine gewisse Chutzpähe dabei, vor allem wenn ich schreibe, dass das dann noch ein Beweis der Bewunderung und Dankbarkeit ist. Und Goethe ist natürlich aus allen Wolken gefallen und war schockiert. Er war ja fast ein Afro. Eben dachte ich noch, wow. Afro, wenn du so willst. Es war ein Afro oder vielleicht war es Humboldt auch egal. Die Beweggründe kennen wir nicht. Aber Goethe war sehr irritiert, sagen wir mal so. Und Goethe reagiert dann auch darauf, weil Humboldt ist ja nicht die einzige Äußerung Humboldts zu dem Thema. Und Humboldt hat diese vulkanistischen Überzeugungen ja nicht allein entwickelt. Die hat er gemeinsam und inspiriert, entwickelt mit einem anderen großen Geologen gemeinsam. Das ist Leopold von Buch. Den hatten wir, glaube ich, auch schon mal erwähnt. Leopold von Buch, einer der größten Geologen seiner Zeit. Auch mit Goethe bekannt, allerdings sehr unglücklich bekannt. Ich glaube, es war sogar dasselbe Jahr, 1823, wo sie sich kennengelernt haben persönlich. In einem böhmischen Bad trat Leopold von Buch an Goethe heran. Und ohne groß zu grüßen, und wir leben in einer Zeit, wo die Formalismen ganz wichtig sind, ohne groß zu grüßen, stellt er sich vor mit dem Satz "Ich bin Ultra-Vulkanist". Unglaublich! Ja, also nicht Vulkanist, das wäre schon schlimm genug, sondern Ultra-Vulkanist. Also da wäre ich gern dabei gewesen. Ich frage mich gerade, weil du sagtest in einem Bad. Ich glaube, es war Kahns Bad, aber ich weiß es nicht. Ich verwechsel die drei manchmal. Okay, aber wir müssen uns nicht vorstellen, die stehen da in, wie heißt das noch, nicht im Dampfbad. Nicht in der Badewanne, sondern die stehen irgendwo im Garten oder irgendwo auf der Straße. Wahrscheinlich an einem Brunnen oder sonst was. Du hast so dein Gefäß in der Hand, das du dann klingst, dem Brunnen Wasser. Du bist natürlich vollständig angezogen und man lüpft den Hut, wenn man jemand anderen grüßt, und zeigt sich dann den Kopf und so weiter. Und dann bekommt man eben so eine Unverschämtheit, sozusagen vor die Augen geknallt. Und wie reagiert Goethe? Typisch, wie er reagiert. Er wendet sich ohne Reaktion angewidert ab. Er ignoriert ihn einfach. Er ignoriert ihn einfach. Ich meine, das ist so, wie wenn, wie soll ich das jetzt sagen, vielleicht ist der Vergleich jetzt ein bisschen übertrieben, aber er ist nicht wirklich übertrieben. Wenn dich Stephen Hawking anspricht, Leopold von Buch war einer der größten und bekanntesten Naturwissenschaftler seiner Zeit. Goethe schreibt ganz erregt an seinen Sohn einen Tag später, daher kennen wir diese Begegnung. Aber Goethe streitet natürlich auch nicht. Goethe ist auch nicht unhöflich im Sinne von, er ignoriert das Vornehmen. Als hätte er es nicht gehört. Ist natürlich eine Provokation. Viel mehr kann man ihn nicht provozieren. Und ähnlich ist eben auch dieses Schreiben und diese Widmung und diese Schrift, die Humboldt an Goethe schickt. Goethe schreibt dann auch, er schreibt es nicht in einem Gespräch, das hat dann der Herr Wissenwerder, das hat dann Kanzler Müller ein paar Jahre später festgehalten. Da sagt Goethe folgendes über Humboldt, wenn Humboldt und die anderen Plutonisten oder Vulkanisten mir es zu toll machen, werde ich sie schändlich blamieren. Schon zimmerig Xenien genug, Xenien sind also Spottgedichte, Xenien genug im Stillen gegen sie. Die Nachwelt soll wissen, dass doch wenigstens ein gescheiter Mann in unserem Zeitalter gelebt hat, der jene Absurditäten durchschaute. Womit er sich selbst meint. Selbstverständlich. Es gab wenigstens einen, der nicht mitgemacht hat, der Widerstand geleistet hat. Also ganz gar jenen, nein, einer ist noch da und damit die Nachwelt nicht ganz den Stab bricht über das, was jetzt passiert, möchte er das aufzeichnen und diese Xenien, diese Gedichte, diese Kurzgedichten, die er mit Schiller früher mal gemeinsam schon geschrieben hatte, wieder aufnehmen gegen Humboldt und den ganzen Unsinn des Vulkanismus und Plutonismus. Wenigstens um Zeugnis abzulegen, dass diese Zeit nicht ganz verkommen war. 1828 sagt er das. Du hattest in unserer Folge eben über die Vulkanisten und die Neptunisten, hattest ja schon erzählt, wie groß dieser Streit war, wie verbittert der Streit teilweise gefühlt wurde. Also das sind natürlich jetzt auch alles so Begebenheiten, die das nochmal deutlich machen. Diese Gemeinheiten, also wirklich, da wird also mit allen Mitteln gekämpft. Ja, genau. Also ich frage mich manchmal, womit man das vergleichen könnte heute. Also ich glaube, es wäre schwierig, mir fallen da jetzt keine wirklichen Beispiele ein, es sei denn, der eine ist Kreationist und der andere ist Evolutionist. Aber das würde dann ja sozusagen heißen, das wären zwei Positionen, die irgendwie… Die irgendwie gleichwertig wären. Ja, genau, und diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken, um Gottes Willen. Aber ich kann mich erinnern, als wir studiert haben, haben wir auch mal drüber geredet, falls du dich noch erinnerst, da gab es ja immer die Diskussion um Gruppenselektion. Das war ja ganz furchtbar, das gab es nicht, das durfte nicht. Und heute ist man da schon viel vorsichtiger. Oder ein anderes Beispiel wäre die Vererbung erworbener Eigenschaften, also lammarkistische Vererbungstheorien. Versus Darwin. Genau, versus Darwin und Selektionstheorie. Also ich glaube, wenn man sich damals als Lammarkist so offensichtlich geoutet hätte, das wäre auch schwierig gewesen. Heute im Zeitalter der Epigenetik sieht man das ein bisschen entspannter, würde ich sagen, ohne dass man jetzt Lammarkist sein muss, aber es ist nicht mehr so streng. Und vielleicht ist es sowas wie Lammarkismus und Neodarwinismus haben wir hier auch. Ich glaube nicht, dass wir uns getraut hätten, uns als Lammarkisten zu gerieten, was wir auch nicht waren. Nein, nein, auf keinen Fall. Ja, eben, genau. Also das war die alte Lehre, die völlig womöglich ist. Ja, genau, das musste man gar nicht widerlegen, sondern das war einfach, also schaut, so blöd waren die. Also haben die wirklich geglaubt, dass sowas möglich ist? Es ist faszinierend, sowas zu sehen, dass das auch eigentlich wiederkommt, diese Struktur dieser Diskussionen und auch die Reaktionen und dass das alles sich sehr ähnelt. Die Vehemenz der Überzeugung. Die absolute Sicherheit. Mit der man überzeugt, dass sie nicht recht zu haben. Und auch diese ganzen, das sind ja alles kluge Menschen, die sich jahrzehntelang damit beschäftigt haben. Und dann so spitzsinnig und dann so Seitenhiebe und dann so, dieses Humboldt-Ding, eben diese Widmung zu schicken, gleichzeitig eben aber zu sagen, boah, du hast überhaupt, natürlich haben die Vulkanisten recht. Ich habe es dir ja jetzt geschrieben, lies es nach. Verstehe es endlich. Genau, mehr oder weniger. Das sagt Humboldt ja auch an irgendeiner anderen Stelle, sagt er das dezidiert. Goethe hatte die geheimlichen Anschauungen in der Geologie, wie das viele deutsche Geologen hatten, die halt das gerade von Kurbildern und sonst wo aufgenommen haben, was ein bisschen ungerecht ist. Goethe hatte mehr gesehen als das. Aus Sicht von Humboldt natürlich hat er wenig gesehen, aber wer kommt schon an Humboldt ran. Ja, eben. Also kann man jetzt ganz verschieden den Maßstab anlegen und je nachdem kommen wir zu einem anderen Urteil. Da fährt es halt, man muss mal sagen, diese Dinge haben sie jetzt von diesen Anspielungen, von diesen wenigen Anspielungen abgesehen. Also die nackte, die richtige, die kalte Wahrheit haben sie den anderen nie zu sehen gegeben. Humboldt schreibt das in Briefen, als Goethe schon tot war, in privaten Briefen an andere. Oder Goethe schreibt das im Tagebuch oder vor allem in Gesprächen mit anderen, wo er sich sicher sein konnte, dass das nicht an Humboldt kommt. Die haben sich auch sozusagen selbst verpflichtet, da jetzt den anderen nicht so zu provozieren, dass das eine und das andere ist. Überwiegend haben sie sich natürlich geschätzt, also auch in den Naturwissenschaften. Also Goethes Metamorphose der Pflanzen, schreibt Humboldt mal, zwar nicht an Goethe selbst, sondern an andere, Lande nach Goethes Tod, ist ein Glanzpunkt. Und dass wir den wahrhaften naturhistorischen Ruhm dieses Mannes für Jahrhunderte sichern. Also das ist jetzt keine Schmeichelei, sondern das ist, was Humboldt sagt, mehr Farbenlehre. Okay, bitte nicht, Geologie bitte auch nicht, und dieser Feldzug gegen Newton bitte nicht, das ist alles albern und arrogant. Aber das andere ist ein Höhepunkt der Wissenschaft, die Metamorphose der Pflanzen. Also Humboldt hat ein sehr differenziertes Bild von Goethes naturwissenschaftlichen Leistungen. Vielen Dank. [Musik] [Musik] Weil du das gerade erwähnst, was hatte Humboldt gegen die Farbenlehre? Naja, einer der engsten Freunde Humboldts war François Aragaud. Humboldt hat selbst ja viel in der Physik gearbeitet, die Physik des Lichts, die Optik, das waren zentrale Forschungsgegenstände im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts. Humboldt hat mit Aragaud in einem Zimmer geschlafen. Die haben das alles ausgetauscht, und als der gestorben ist, auch in den 50er Jahren, ich habe das Datum nicht im Kopf, das war ein ganz schwerer Schlag für Humboldt. Und Humboldt hat sogar gesorgt für eine Gesamtausgabe der Werke Aragaud auf Deutsch mit einem Vorwort und so. Die haben geforscht an Licht und Farbe und an Optik. Und da schien das Werk aus der Provinz, das Goethe, zwar mit tausend irgendwas Seiten, aber ein Lebenswerk Goethes schien da ein bisschen abwegig zu sein. Und Goethe hat einen Fehler gemacht, der bis heute, ich formuliere das jetzt mal ganz gräflich in einem Satz, der ihm bis heute nachhängt, Humboldt hat Newton wirklich quasi persönlich beschimpft, also sich unmokiert und lustig gemacht und behauptet, hätte Fehler gemacht, was übrigens zum Teil stimmt sogar, und hätte auch, naja, gefälscht ist, kann man fast sagen, also hätte das zu seinen Gunsten interpretiert, die Phänomene. Das stimmt alles nur halb und jedenfalls geht das weit über wissenschaftliche Polemik hinaus. Goethe war sehr, sehr leicht erkränkbar, was die Farbenlehre betrifft und hat auch die leiseste Kritik an der Farbenlehre mit einem jahrelangen Kontaktabbruch bestraft. Also der hat einfach dann jahrelang nicht mehr geschrieben oder sonst was. Und ja, also das manche sogar, manche Psychoanalytiker meinen, die Farbenlehre wäre eine Paranoia gewesen und andere sagen, es wäre eine Theologie gewesen. Und das hätte da sie die Kritiker nicht als wissenschaftliche Kritiker, sondern als Ketzer verfolgt, die man eben auslöschen muss. Also Goethe war das sehr schwierig und das hat Humboldt auch abgestoßen. Die Farbenlehre, da wird es auch irgendwie mal werden. Da freue ich mich schon drauf, auch was machen, aber das ist ein schwieriges und wirklich eigenes, ganz tolles Kapitel über ganz viele Dinge kann man dazu sagen. Mir geistert gestern, als ich so ein bisschen rumgegoogelt habe, da tauchte immer so ein Buch auf von 2020, ziemlich beste Freunde Humboldt und Goethe. Das kenne ich nicht. Das kennst du auch nicht, ich konnte es jetzt auch nicht irgendwie durchblättern oder so, aber naja, was war das jetzt für ein Verhältnis, Goethe und Humboldt. Also du hast gerade gesagt, wir haben gerade gesehen, so diese kleinen Gemeinheiten gab es, aber es gab eben auch diese große Bewunderung in bestimmten Bereichen. Gleichzeitig haben die sich tatsächlich gar nicht so oft getroffen, hatten einen Briefwechsel, der war aber insgesamt recht bescheiden im Vergleich zum Bruder vor allem und dann auch zu vielen anderen. Was hatten die für ein Verhältnis, solche Giganten ihrer Zeit. Ich würde sagen, dass das eine distanzierte Freundschaft war, die auf wirklicher Wertschätzung beruht ist, nämlich der Wertschätzung der Fähigkeiten des anderen, von denen man selbst sehr viel lernen konnte und die man selbst zum Teil hatte, zum Teil aber auch nicht, dass man immer verfolgt hat, was macht der andere eigentlich, womit beschäftigt sich der, was kann man davon lernen. Also eine Neugier und Offenheit, das gilt für beide, Humboldt war bis zum Schluss neugierig, Goethe genauso. Also naturwissenschaftliche Dinge meine ich jetzt aber nicht nur an denen. Dass diese Zeitweisen, man kann es nicht mal Trübungen nennen, weil es ist ja nie was zum Ausbruch gekommen oder man hat ja nie den anderen konfrontiert mit irgendetwas. Das heißt, die haben zum Beispiel nicht über die Farbenlehre diskutiert? Nein, mit Sicherheit nicht. Also das würde mich sehr beunruhigen, wenn sie das gemacht hätten, weil wie hätte Humboldt da reagieren sollen? Also wenn es dazu ein Zeugnis gibt, ich kenne es nicht, aber wenn es es dazu gibt, dann bitte her damit. Ich bin mir eigentlich sicher, dass sie das nicht gemacht haben. Zwischen Kieferknochen? Naja, das ist doch eine Leistung, die Humboldt selbstverständlich auch anerkannt hat. Humboldt war jetzt, was die Zoologie und Botanik betrifft, mehr der Systematiker und Taxonom und Goethe war mehr der Morphologe. Das sind also verschiedene Zugangsweisen und auch wissenschaftliches Arbeiten. Da sind sie sich auch nicht so ins Gegege gekommen und haben auch sozusagen den anderen nicht, die Versuchung hat auch nicht bestanden, den anderen dazu zu widerlegen oder da jetzt groß zu diskutieren. Also deswegen ist Zwischendieferknochen und vor allem die Metamorphose der Pflanzen etwas, womit Humboldt was anfangen konnte. Ich muss gerade mal noch was so ganz Boulevardesque fragen, um das noch ein bisschen lebhafter vorstellbar zu machen. Diese Treffen mit Humboldt, wenn die sich getroffen haben oder wenn die auch da zu viert sich getroffen haben. Gibt es irgendeine Vorstellung davon, wie diese Treffen ausgesehen haben? Haben die zusammen beim Kaffee gesessen oder haben die zusammen bei Wein und Bier gesessen und haben sich um die Ecke gesoffen oder wie muss ich mir das vorstellen? Wahrscheinlich nicht, also Goethe hat Bier nicht geschätzt, Wein hat er sehr geschätzt. Ich glaube, man muss sich das anders vorstellen. Erstens war das Haus Goethes ein offenes, das heißt offen in dem Sinn, dass du mit einer Empfehlung, mit einer Visitenkarte, mit sonst was nicht nur zu Besuch kommen konntest, du konntest auch Teile der Sammlungen sehen, wenn du das richtig gemacht hast, von Goethes Sammlungen und du konntest vor allem an den gesellschaftlichen Abendessen teilnehmen. Da hat Werner auch teilgenommen dran, ist ja sogar dargestellt in dem Film "Charlotte in Weimar". Du siehst Werner auch mit am Tisch, wenn auch mit Bart. Bei der Rechnung, dass Werner nie einen Bart hatte, aber das ist eine andere Geschichte. Ähnlich war das sicher auch mit Humboldt. Man hat sich irgendwo in der Bibliothek oder in den Sammlungen oder eben beim Essen getroffen und dann hat er nach dem Essen, dann hat Goethe Sachen hervorgeholt oder seine Gäste reden lassen und dann wurde diskutiert, dann ging man auf und ab in den Sammlungszimmern. Du musst dich vorstellen, das hat ja alles nur dreimal insgesamt stattgefunden. Humboldt war ja nur dreimal in Weimar Goethe besuchen. Das erste Mal 1797, also noch vor seiner Reise und dann erst über ein Vierteljahrhundert später, nämlich 1826. Das heißt, du lernst jemanden kennen als jungen Mann und als älteren Mann siehst du ihn dann wieder. Das ist ein Riesenabstand. Das sind die Nebolonischen Kriege dazwischen und alles. Der Wiener Kongress und die französische Revolution hat da schon stattgefunden. Aber das Konsulat ist gerade. Und dann noch mal 1831, also ein Jahr vor Goethes Tod, kommt Humboldt noch mal, ich glaube auf der Rückreise von Paris nach Weimar. Und dann interessanterweise noch mal im Mai 1832. Und da ist Goethe ja schon tot und zwar seit zwei Monaten, stirbt im März. Und Humboldt wird geführt von einem der Diener durch das Goethe-Haus. Er kann diese ganzen Räume sehen, weil er mehr nicht weiß, aber die schon vorher sehen konnte. Er ist also einer der ersten quasi musealen Besucher des Goethe-Hauses, was ich auch ganz interessant finde. Weil das Goethe-Haus war ja dann bis zu der Eröffnung des Museums eigentlich geschlossen. Die Enkel haben verhindert, dass es groß besucht werden konnte. Es war zum Teil sogar vermietet, andere Parteien, aber nur zum Teil. Das heißt, Humboldt ist eigentlich der erste, der dann ein paar Wochen nach dem Tod des alten Goethe, der ja mit 82 ungefähr gestorben ist, dann durch das Haus gehen konnte. Finde ich eine schöne Vorstellung, da mit dabei gewesen zu sein. Wir werden das dann nachholen, wenn ich dich wieder in Weimar besuche. Dann werden wir in Humboldts... Achso, meinst du das? Ich dachte, du kommst nach meinem Tod dann... Nein, nein, nein. Du kommst dann nach Weimar und gehst dann durchs Goethe-Haus. Zu deinen Lebzeiten werde ich nochmal nachholen. Ja, das ist ja nett, wenn du dann noch zu meinen Lebzeiten kommst. Ich bin ja auch der Ältere sozusagen, noch nicht 20 Jahre, aber doch ein Äuzerl, wie man so schön sagen würde. [Musik] Zwei Fragen fallen mir noch ein. Erstens, hat eigentlich Goethe auch Humboldt irgendwelche Dinge geschickt, irgendwelche Fundstücke oder so? Erste Frage. Zweite Frage. Hat Humboldt sich eigentlich auch zur Lyrik und zu dieser anderen Welt des Goethe, die ja viel berühmter war, die viel bekannter war als die ganze Forschung, hat er sich da eigentlich mal zugeäußert? Ja, hat er natürlich. Wie fand er die? Bekannt ist sein Urteil über Hermann und Dorothea, dieses Epos, das mit dem Goethe die Französische Revolution quasi verarbeitet. "Hermann und Dorothea gehört zu dem Schönsten, was er je geliefert hat", schreibt Humboldt. Das ist ein Meisterwerk, ganz konkret. Und das schreibt er 1797, wenn ich das jetzt gerade vor mir aufgerufen habe, und 1855, also über ein halbes Jahrhundert später, schreibt er, erinnert er sich noch daran, und damit sind wir jetzt wieder in Jena, "Von Hermann und Dorothea habe ich bei meinem Bruder in Jena", schreibt Humboldt, "die ersten Gesänge aus dem Manuskript von Goethe selbst lesen hören." Also die saßen da zusammen und Goethe hat aus dem Manuskript, das er gerade geschrieben hatte, dieser Runde vorgelesen, mit Wilhelm. "Er rezitierte aber meist ohne das Manuskript anzusehen bewunderungswürdig sicher." Also Goethe war ja ein guter Vortragender, war ja auch Schauspieler. Diese Dinge hat Alexander sehr bewundert und Wilhelm hat ja auch eine berühmte Arbeit geschrieben über "Hermann und Dorothea", über dieses Werk. Also die dichterischen Sachen hat Humboldt sehr geschätzt, womit er ein wenig anfangen konnte. Und da sieht man, was Humboldt alles gelesen hat, ganz erstaunlich. Das ist der Briefwechsel, oder die Briefe Goethes an Charlotte von Stein, die unerfüllte Liebe sozusagen, die sieben Jahre ältere verheiratete, mit vielen Kindern gesegnete Frau, die Goethe die ersten zehn Jahre angehimmelt hat. Und da schreibt Humboldt das Journal, weil das ja nach Tagen gegliedert ist, über die "unbefriedigte, fast winselnde Verliebtheit". Die fast winselnde, unbefriedigte Verliebtheit, volle zehn Jahre, 1774 bis 1785. Stimmt nicht ganz, aber das ist ganz wundersam. Aber das Wundersamste ist die "gepanzerte Tugend der nicht zu erweichenden, nicht zu schmelzenden Frau von Stein". Also Humboldt konnte damit wirklich nichts anfangen, weder mit dem, das Goethe zehn Jahre lang, die Charlotte von Stein, der wirklich ein schöner Briefwechsel, also schöne Briefe, die er geschrieben hat, wirklich schöne, bedeutendsten, mit die bedeutendsten Liebesbriefe der deutschen Literatur. Damit konnte Humboldt nichts anfangen. Und genauso wenig konnte er, genauso sehr hat es ihn gewundert, dass Charlotte von Stein sich ja offensichtlich, das ist ja bis heute all dem so bestritten, ob sie oder ob sie nicht, aber wahrscheinlich nicht. Ja, das war ihm gänzlich da unverständlich. Ich glaube, da Humboldt auch eher so als Mann der Tat, was er machen will, der vorankommen will und sich zehn Jahre darum zu kümmern, ob die Frau jetzt irgendwie sich verliebt oder wie auch immer, wie die zusammenkommen, das hält ihn einfach auf. Das kann sein, ja. Kann man sich vielleicht bei jemand wie Humboldt einfach gar nicht vorstellen. Humboldt und die Frauen, das ist ein eigenes Kapitel. Aber Charlotte von Stein, das war schon eine Liebesbeziehung, auch von ihrer Seite her. Die Stränge der eigenen Moralvorstellungen, Disziplin hat das wahrscheinlich gar nicht zugelassen. Du siehst, ich finde, es gibt einen Maßstab, woran man merkt, wie sehr sie, das ist jetzt nicht unser Thema, aber wenn wir das abschließen, kann man vielleicht noch kurz was dazu sagen, wie sehr sie auch in ihm gehangen ist. Und zwar, als er dann aus Italien zurückkommt, er hat ja sie quasi dumm sterben lassen und ist nach Italien gegangen und war dann fast zwei Jahre lang weg. Und sie hat das nur durch irgendwelche Briefe erfahren. Und als er dann zurückkommt, lernt er in den Tagen nach der Rückkehr, wie er Christiane kennen, also eine Jüngere, mit der er dann sehr schnell zusammen ist, mit der er zusammenzieht, und das hat sie ihm jahrelang nicht verziehen. Also das Zurückkommen und gleich mit einer anderen dann eine Beziehung und dann letztlich auch eine Ehe einzugehen. Wie sehr sie ihm das nicht verziehen hat, siehst du, sie hat ein eigenes Theaterstück geschrieben, wo auch ein Dido, also die verlassene Königin von Carthago, da kommt dann auch ein Mann vor, der eben sehr unsympathisch geschildert wird, und das ist ein Goethe, ein Bild von Goethe im Theater. Wie sehr, aber wie tief das trotzdem gegangen ist. Goethe hatte, mehr bekanntlich, eine Aversion gegen Tod und Sterben, eine richtige Aversion gegen Tod und Sterben, und sie hat dafür gesorgt, dass ihr Begräbniszug, im Jahr 1828 ist sie, glaube ich, gestorben, dass ihr Begräbniszug nicht an seinem Haus vorbeigeht, wie das sonst üblich gewesen wäre mit ihrem Sarg davor, sondern eine andere Strecke nimmt, damit er das nicht sehen muss. Sie hat also noch im Tod Rücksicht genommen auf seine Idiosynkrasien. Das wäre auch eine eigene Geschichte, hat aber nichts mit Dösen zu tun. Das ist eigentlich auch eine berührende Geschichte. Zu der ersten Frage, die ich gestellt hatte, hat Goethe Humboldt denn Fundstücke, Sammlungsstücke geschickt, Widmungen oder Bücher oder was auch immer? Naja, diese Kryptowidmung in den Wallverwandtschaften ist wahrscheinlich die berühmteste, die Goethe da gemacht hat. Von Stücken weiß ich nichts, das hätte Humboldt wahrscheinlich auch nicht so. Ich meine, der Mann saß an den Quellen und war selber Sammler. Würde mich jetzt wundern, kenne ich nichts. Wäre aber interessant, das zu wissen. Aber solche Hommagen, die waren üblich und die hat ihm auch Goethe zum Beispiel in den Wallverwandtschaften gemacht. Aber man hat eher Goethe was geschickt in dem Verhältnis jetzt? Ja, Humboldts Bibliothek ist ja leider nicht erhalten, die ist ja nach Humboldts Tod verbrannt. Es gibt aber einen Katalog davon, wo auch drinsteht, ob da eine Widmung drin ist. Humboldt hat sehr viele Widmungsexemplare in seiner Bibliothek, da in der Oranienburger Straße in Berlin. Aber da war Goethe schon tot, als er dort hingezogen ist. Humboldt war in Paris, kam erst 1827/1828 nach Berlin zurück und hat dort in verschiedenen Wohnungen gewohnt. Also darf man sich nicht so vorstellen wie dieses große Haus und Hauswesen Goethes, sondern Humboldt hatte einen Diener, der hat in der Wohnung unter ihm gelebt, mit seiner Familie und das war es dann. Der hat ihn im Alter unterstützt und er war auch dann sein Erbe. Eine andere Sache ist vielleicht auch noch interessant, und zwar, das sollten wir noch zur Geografie der Pflanzen erinnern, weil das ein schönes Zeichen von Interaktion ist und von Schicken und Widmungen. Und das ist mir gar nicht eingefallen vorher, als Humboldt eben die Geografie der Pflanzen an Goethe schickt mit der Widmung, da ist nur das Buch dabei, also das ist dieses Buch, das angeblich fünf Jahre am Amazonenstrom Goethe widmen wollte. Da ist nur das Buch dabei, aber nicht der Kupferstich, weil der Kupferstich noch nicht fertig war, da hat er noch dran gearbeitet. Das ist ein wunderschöner Stich, kennt jeder, es zeigt den Chimborazo und den Querschnitt durch den Chimborazo und mit vielen Daten dazu zu den Höhenstufen der Pflanzen, Verbreitung der Pflanzen und so weiter. Das war aber leider nicht mit dabei und das ist eigentlich ein zentrales Element dieses Werkes, diese Infografik. Und Goethe hat sich eben, weil das noch nicht da war, es kam erst ein paar Monate später, hat sich dann den Spaß daraus gemacht, dieses Bild für sich selbst nach seiner eigenen Vorstellung und nach den Angaben des Buches von Humboldt herzustellen. Und dadurch sind beide überliefert, natürlich der Stich von Humboldt und jetzt dann die Zeichnung, der Akkurellierte Zeichnung, die Farbzeichnung von Goethe. Und die schauen komplett anders aus, obwohl es auf dieselben Daten und den selben Text zurückgeht. Also da kannst du ein bisschen den Unterschied zwischen der götischen und der humboldtschen Naturauffassung erkennen. Die von Goethe ist eigentlich anschaulicher und verspielter. Und ja, Humboldt hat sie dann irgendwann zu Gesicht bekommen, selbst mal, weil Bertuch das auch hat trucken lassen, diese Höhen der alten und neuen Welt, so heißt das bei Goethe. Und so kamst du noch zu Humboldts Augen. Humboldt hat es nicht so gefallen, aber Goethe hat sich wirklich intensiv damit auseinandergesetzt und das ist dann daraus geworden. Und das sieht man auf der Zeichnung Goethes jetzt, das sieht man auch ganz klein als Strichmännchen Humboldt eingezeichnet, wie er versucht hat, den Chimborazo zu erklimmen und zu erklettern. Und auch ganz drüber im Blau ist eine Montgolfier, die eine Anspielung ist auf die Ballonflüge von Gélüsac, der da lebensgefährliche Bedingungen in 7, 8, 9.000 Metern Höhe dort oben Gasmessungen vorgenommen hat, eine Spitzenleistung von damals. Es ist ein wirklich, wirklich schönes Blatt, das eben zeigt, wie die beiden zusammenarbeiten und Anteil nehmen an der Arbeit des jeweils anderen. Aber das sind einfach die Unterschiede zwischen den beiden. Okay, also wir haben zwei Größen ihrer Zeit, die aber gar nicht so viel Gemeinsames hatten und sich auch gar nicht so oft getroffen haben, was in den Zeiten sowieso natürlich viel schwieriger war als heute. Und deren Schriftverkehr auch nur eher kleiner war. Die haben sich respektiert? Haben sie sich gemocht? Ja, klar, ich denke schon. Also es war mit Sicherheit eine freundschaftliche Beziehung, aber jetzt nicht so eine enge Freundschaft wie mit Schiller oder so, da darf man sich das nicht vorstellen. Aber ein respektvolles, sympathisches Miterleben des Werks und der Arbeit des anderen. Okay, wir sind eigentlich durch jetzt, oder? Wir haben es jetzt doch ziemlich, ich meine... So die Wesentlichen? Ja, man könnte noch sehr viel sagen, aber das tun wir. Das machen wir in der Woche wahrscheinlich. Genau, noch einen zweiten, dritten Teil noch. *Musik* Das war die neunte Folge über Goethe und seine Naturwissenschaft mit Thomas Schmuck und Markus Anheuser. Die Infos zur Folge findet ihr in den Infos zur Folge. Wir hoffen, wie immer, es hat euch gefallen. Und ihr seid auch nächstes Mal wieder mit dabei. Schickt uns gerne weiter. Wir freuen uns über Bewertungen bei Apple Podcast, Spotify oder wo ihr sonst noch Podcasts hört. Macht's gut und bis zum nächsten Mal. *Musik* *Musik*

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